Gesundheits-Pass Diabetes – die wichtigsten Vorsorgeuntersuchungen
Diabetes mellitus geht nicht selten einher mit Erkrankungen von Nieren, Augen, Haut oder anderen Organen. Dabei treten diese Folgeerkrankungen nicht auf, weil man Diabetes hat. Vielmehr spielt die Stoffwechsel eine große Rolle, z. B. wenn der Diabetes lange Zeit unentdeckt oder unbehandelt geblieben oder die Stoffwechseleinstellung unzureichend ist. Dies kann langfristig dazu führen, dass Nerven, Gefäße oder Organe Schaden nehmen. Aber auch wenn bereits Folgen durch den Diabetes vorhanden sind, kann mit einer guten Glukoseeinstellung und der Behandlung von Risikofaktoren ein Fortschreiten aufgehalten werden.
Daher ist es wichtig, neben den Untersuchungen durch das Diabetesteam auch regelmäßig fachärztliche Untersuchungen wahrzunehmen. Von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) wird empfohlen, dass jeder Mensch mit Diabetes einen Diabetes-Gesundheitspass hat. In diesem sind alle Untersuchungen vorgegeben, die wichtig sind, um diabetesbedingten Organveränderungen vorzubeugen bzw. frühzeitig Veränderungen festzustellen.
Wie ist der Gesundheits-Pass Diabetes aufgebaut?
Den Gesundheitspass gibt es in mehreren Ausführungen: z. B. für Erwachsene, für Kinder und Jugendliche sowie als zweisprachige Ausgabe (türkisch/deutsch). Der kleine blaue Pass für Erwachsene hat 32 Seiten und beginnt mit persönlichen Daten und allgemeinen Informationen über den Diabetes mellitus. Eine weitere Seite dient den Basisinformationen wie z. B. Diabetestyp, Diabetesdauer, etc. Auch der aktuelle Medikamentenplan und spezielle Untersuchungsergebnisse, die nicht routinemäßig durchgeführt werden, sollten auf dieser Seite hinterlegt werden.
Die nachfolgenden Seiten sind das Herzstück des Passes. Jeweils auf einer Doppelseite sind Eintragungen für ein Jahr vorgesehen. In der ersten Spalte werden die vereinbarten Zielwerte eingetragen, die gemeinsam mit dem Arzt bzw. der Ärztin festgelegt werden. Das kann z. B. ein reduziertes Körpergewicht oder verbesserte Glukosewerte durch eine Lebensstilveränderung sein.
Bei den Kontrollterminen sollte besprochen werden, ob die vereinbarten Ziele erreicht werden konnten oder welche Gründe es gab, dass diese nicht erreicht wurden. Die weiteren Spalten stehen für die vier Quartale des jeweiligen Jahres. Dabei unterscheidet man noch einmal zwischen Daten, die pro Quartal erhoben und Untersuchungen, die 1 mal im Jahr durchgeführt werden.
Welche Untersuchungen finden einmal im Quartal statt?
Körpergewicht
Die Kontrolle des Körpergewichts sollte möglichst immer zur gleichen Zeit und unter gleichen Bedingungen durchgeführt werden. Gerade bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist das Gewicht ein entscheidender Faktor zur Beurteilung der Risikofaktoren, denn das Gewicht beeinflusst die Stoffwechsellage. Der Bauchumfang gibt darüber hinaus Aufschluss über das Bauchfett. Zu viel Bauchfett zusammen mit Übergewicht erhöht die Risiken für den gesamten Organismus. Vor allem das Herz-Kreislauf-System wird belastet. Diese Konstellation gilt als ein Hauptrisikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall. Durch Bewegungsmangel wird das Risiko noch verstärkt. Als Ziel wird üblicherweise ein erreichbarer BMI-Wert vereinbart. Der BMI ist das Körpergewicht im Verhältnis zur Körpergröße.
HbA1C-Wert
Der HbA1C ist das Blutzuckergedächtnis und gibt den durchschnittlichen Zuckergehalt im Blut in % oder mmol/mol an. Die Lebensdauer eines roten Blutkörperchens beträgt 8–12 Wochen. Das Hämoglobin, der „rote Blutfarbstoff“, als Teil dieser Blutkörperchen bindet unter anderem Zucker an sich und lässt diesen oft nicht mehr los, bis es selbst abgebaut wird. Deswegen wird der HbA1C-Wert einmal im Quartal bestimmt. Der Zielwert wird mit dem Diabetesteam individuell festgelegt. Dabei werden Alter, mögliche Begleiterkrankungen und die Lebensumstände in die Überlegung mit eingeschlossen.
Glukosewert
Der gemessene Glukosewert im Blut wird bei jedem Besuch in der Praxis bestimmt, mindestens aber einmal im Quartal. Er gibt Auskunft über die aktuelle Situation des Blutzuckerstoffwechsels. Der im Pass einzutragende Blutglukosewert sollte durch ein Labor bestimmt werden. Insulinpflichtige Menschen mit Diabetes sollten selbst ihren Blutzucker bestimmen können. Die Häufigkeit der Messungen hängt davon ab, wie oft Insulin gespritzt bzw. verabreicht werden muss. Die Messwerte sollten ebenfalls immer zur Sprechstunde mitgebracht werden.
Mit der kontinuierlichen Glukosemessmethode (CGM) hat man seinen aktuellen Glukosewert immer im Blick, kann sich den Glukoseverlauf anschauen und sieht den Trend, wohin sich die Werte bewegen. Darüber hinaus gibt es verschiedene Analysemöglichkeiten. In der Regel kann das behandelnde Diabetesteam die Daten auslesen und gemeinsam mit den Betroffenen besprechen. Ziel ist es, frühzeitig Veränderungen des Stoffwechsels zu erkennen, um schwere Stoffwechselentgleisungen wie Unterzuckerung und Überzuckerungen zu vermeiden und damit langfristig diabetischen Organveränderungen vorzubeugen.
Blutdruck
Der Blutdruck wird bei jedem Arztbesuch nach mindestens fünf Minuten Ruhe gemessen. Durch erhöhten Blutdruck in Verbindung mit anderen Risikofaktoren steigt das Risiko von Folgeschäden für Herz und Kreislauf um ein Vielfaches. Darüber hinaus kann es auch zu Schädigungen an Augen, Nieren, Nerven und Beinen kommen. Der Blutdruck sollte daher nicht höher als 140/80 mmHg liegen. Diejenigen, die selbst ihren Blutdruck zu Hause messen, sollten ihre Aufzeichnungen immer zum Besuch beim behandelnden Diabetesteam mitbringen.
Spritzstellen
Bei etwa zwei von drei insulinpflichtigen Menschen mit Diabetes zeigen sich Veränderungen bzw. Verhärtungen an den Injektionsstellen. Die Wirkung des verabreichten Insulins kann damit reduziert sein, was schlimmstenfalls zu einer Stoffwechselentgleisung führen kann. Deswegen werden die Spritzstellen von Insulin bei der Untersuchung mit angesehen und abgetastet. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Insulin mit Insulin Pen, Spritze oder Infusionsset verabreicht wird. Auch die regelmäßige Selbstkontrolle daheim ist wichtig.
Rauchen
Rauchen verursacht Durchblutungsstörungen. Gerade bei Menschen mit Diabetes mellitus verschlechtert es auch Erkrankungen, die durch den Diabetes selbst hervorgerufen wurden. Deswegen wird jedes Quartal dieser Status erhoben und zur Entwöhnung motiviert und unterstützt.
Welche Untersuchungen finden einmal im Jahr statt?
Blutfettwerte
Bei den jährlichen Blutuntersuchungen werden die Blutfettwerte, insbesondere Cholesterin, HDL, LDL und die Triglyceride bestimmt. Cholesterin ist ein lebensnotwendiger Stoff im menschlichen Organismus und wird beispielsweise für den Aufbau der Zellen im Körper benötigt. Es wird von der Leber gebildet aber auch über unsere Nahrung aufgenommen. Cholesterin ist auch eine Art Vorstufe vieler Hormone und anderer wichtiger Substanzen, die z. B. für die Fettverdauung wichtig sind.
Man unterscheidet die beiden Untergruppen HDL und LDL. Beim Transport durch unseren Körper hält das HDL die Blutgefäße frei von Ablagerungen. Der Anteil dieses „guten“ Cholesterins sollte daher hoch sein. Das ungünstigere LDL trägt zu einer Gefäßverengung bei. Der LDL-Spiegel sollte deshalb niedrig sein.
Triglyceride sind Fette, die mit dem Essen aufgenommen werden. Sie liefern dem Organismus Energie. Wird diese Energie nicht benötigt, wird es im Fettgewebe abgespeichert. Sind die Fettwerte im Serum des Blutes erhöht, besteht gerade bei Menschen mit Diabetes ein erhöhtes Risiko für Arterienverkalkung. In der Folge kann es zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen.
Nierenwerte
Der Kreatininwert im Blut gibt Auskunft über die Funktion der Nieren. Kreatinin ist ein Abbauprodukt des Muskelstoffs Kreatin und wird über die Nieren ausgeschieden. Steigt die Konzentration an Kreatinin im Blut, kann dies ein Anzeichen dafür sein, dass die Nierenfunktion gestört ist. In diesem Zusammenhang ist auch der Mikroalbuminurietest wichtig. Dabei wird der Urin auf Albumine (Eiweiße) untersucht. Mit dem Mikroalbuminurietest lässt sich frühzeitig ein diabetesbedingter Nierenschaden erkennen.
Die Nieren filtern Abfallstoffe aus dem Blut und scheiden sie über den Harn aus. Durch zu hohe Blutzuckerwerte und einen erhöhten Blutdruck können die kleinen Blutgefäße geschädigt werden. Dadurch verschlechtert sich die Filterleistung der Nieren zunehmend. In der Folge scheidet der Körper verstärkt Eiweiß mit dem Urin aus. Es wird empfohlen den Mikroalbuminurietest jährlich durchzuführen. Dabei werden drei Urinproben (jeweils vom ersten Morgenurin) im Abstand von jeweils 6 bis 8 Wochen untersucht. Erst wenn zwei aufeinanderfolgende Urinproben eine Mikroalbuminurie aufweisen, müssen weiterführende Untersuchungen durchgeführt werden. Bei einer bestehenden Mikroalbuminurie wird die Untersuchung zwei- bis dreimal im Jahr zur Verlaufskontrolle durchgeführt.
Augenuntersuchung
Die Häufigkeit der Augenuntersuchung ist abhängig von der Diabetesdauer und ob bereits Veränderungen am Auge vorliegen. Ist der Diabetes gerade erst festgestellt und sind die Untersuchungsergebnisse bisher unauffällig, genügt eine Kontrolle alle 2 Jahre. Besteht der Diabetes länger als 10 Jahre oder gibt es bereits Organveränderungen am Auge, sollte die Untersuchung halbjährlich durchgeführt werden. Bei der augenärztlichen Untersuchung wird anhand einer Spiegelung der Augenhintergrund beurteilt. Dabei wird die Netzhaut auf Veränderungen, wie kleine Blutungen, Eiweißablagerungen oder Wasseransammlung (Makulaödem) untersucht. Bleiben diese Veränderungen unerkannt, kann es zu Schäden an der Netzhaut kommen, die nicht wieder umkehrbar sind und zu Blindheit führen können.
Fußuntersuchung
Durch hohe Blutzuckerwerte können auch an den Nerven- und Gefäßenden Ablagerungen entstehen, die wiederum in der Folge zu Nervenstörungen insbesondere an den Füßen führen. Anzeichen wie Kribbeln, Gefühlsstörungen und Schmerzen werden oft nicht mehr richtig wahrgenommen oder ignoriert. Außerdem haben Menschen mit Diabetes vor allem an den Füßen häufig mit trockener Haut zu kämpfen. Diese ist anfälliger für Risse, Verletzungen und damit auch Infektionen. Um Veränderungen an den Füßen frühzeitig zu erkennen, sollten Betroffene regelmäßig – etwa einmal pro Woche – ihre Füße selbst inspizieren. Mindestens einmal im Jahr werden die Füße darüber hinaus im Rahmen der Leitlinien der DDG ärztlich untersucht. Zunächst werden die Farbe und die Temperatur der Haut beurteilt. Durch einen leichten Fingerdruck auf die Haut wird überprüft, ob Flüssigkeit im Gewebe nachweisbar ist. Dies erkennt man daran, dass eine Vertiefung im Gewebe zurückbleibt.
Veränderungen – wie starke Hornhautbildung, Risse in der Haut, Druckstellen oder Pilzinfektionen zwischen den Zehen oder an den Zehennägeln – müssen dokumentiert und behandelt werden. Veränderungen des Fußgewölbes, Verdickungen der Zehennägel oder Fehlstellungen der Zehen werden ebenfalls in dieser Untersuchung erhoben.
Um eine mögliche diabetische Neuropathie festzustellen, also eine Nervenschädigung, wird die Wahrnehmung von Warm und Kalt, Schmerz und Missempfindungen mit verschiedenen Instrumenten untersucht. Die Reflexe werden überprüft und die Fußpulse ertastet. Diese Untersuchungen sind vollkommen schmerzfrei für den Patienten. In der Zeile „Periphere/Autonome Neuropathie“ des Diabetespass werden die Ergebnisse der Untersuchung eingetragen.
Weitere Untersuchungen
Weiterführende Kontrollen und andere Routinechecks, wie körperliche Untersuchungen (einschließlich der Gefäße), EKG, 24-h-EKG, Langzeit-Blutdruck-Untersuchungen etc., werden je nach Bedarf einmal jährlich durchgeführt und in den vorgegebenen Zeilen des Diabetespass eingetragen. Einmal im Jahr sollte auch ein Screening auf Depression durchgeführt werden. Hintergrund ist, dass bei Menschen mit Diabetes etwa doppelt so häufig Depressionen auftreten, wie bei Menschen ohne Diabetes. Auf den Seiten 28 und 29 des Diabetespass finden Sie Fragen zum eigenen Wohlbefinden. Betroffene sollten im Vorfeld der ärztlichen Untersuchung diese Fragen z. B. mit einem Bleistift beantworten und dann in der Praxis die Ergebnisse besprechen. Danach können die Eintragungen wieder ausradiert und der Test nach entsprechender Zeit erneut durchgeführt werden.
Nutzt man den Diabetes Pass konsequent, werden keine Untersuchungen vergessen. So können frühzeitig Maßnahmen für notwendige Behandlungen eingeleitet werden. Mit weiterführenden Diagnostik- und Therapiemaßnahmen können viele Folgen des Diabetes vermieden oder zumindest reduziert werden.
Nutzt man den Diabetes Pass konsequent, werden keine Untersuchungen vergessen. So können frühzeitig Maßnahmen für notwendige Behandlungen eingeleitet werden. Mit weiterführenden Diagnostik- und Therapiemaßnahmen können viele Folgen des Diabetes vermieden oder zumindest reduziert werden.