Diabetes im Alter - eine Herausforderung in der Geriatrie

Ältere Frau im Gespräch mit PflegerinÄltere Frau im Gespräch mit Pflegerin

Allein das Älterwerden ist eine Herausforderung und nichts für Feiglinge. Typische Probleme des Alterns wie z.B. das Nachlassen des Seh- und Hörvermögens, die zunehmende Versteifung der (Finger-) Gelenke, zunehmende Einschränkungen des Bewegungsapparates und der Feinmotorik sowie nachlassende kognitive Funktionen, werden durch eine chronische Erkrankung meist noch verstärkt.

Altersbeschwerden mindernd Lebensqualität

Die „Deutsche Fachgesellschaft für Geriatrie“ beschreibt, dass schon allein der Zustand einer lebensbegleitenden Erkrankung, verbunden mit den regelmäßigen Arztbesuchen, der ständigen Medikamenteneinnahme und allen weiteren Belastungen, als lebensqualitätsmindernd empfunden wird. Oft führen auch wiederkehrende Infekte, Fehl- und Mangelernährung, eine herabgesetzte Medikamentenwirkung und Störungen im Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalt zu vermehrten Krankenhausaufenthalten und einer Verschlechterung bei der eigenen Versorgung (Autonomie).

Als geriatrische Patienten bezeichnet man Menschen in einem höheren Lebensalter, meist jenseits von 70 Jahren, die an folgenden alterstypischen Erkrankungen leiden:

  • ein bestimmter Grad der Gebrechlichkeit
  • beeinträchtigtes Seh- und Hörvermögen
  • Sturzneigung
  • Schwindel
  • nachlassende geistige Fähigkeiten
  • Inkontinenz
  • chronische Schmerzen und/oder
  • Sensibilitätsstörungen.

Erhöhte Lebenserwartung mit Diabetes

Älterer Mann liest wichtige UnterlagenÄlterer Mann liest wichtige Unterlagen

Alte Menschen befinden sich heute in einem wesentlich besseren Gesundheitszustand als noch vor 100 Jahren. Der Diabetes mellitus mag zwar nach wie vor eine chronische, nicht heilbare Erkrankung sein, dennoch ist er heute, dank der Forschung, sehr gut therapierbar. Moderne Medikamente, strukturierte Schulungen, qualifiziertes Personal und immer innovativere Technik erhöhen heute die Lebenserwartung und erleichtern somit bei vielen den Alltag mit Diabetes mellitus. Nachweislich werden Menschen mit dieser Stoffwechselerkrankung immer älter. Momentan sind rund 4 Millionen Menschen in Deutschland über 65 Jahre und haben einen Diabetes.

Diabetes Technik im Alter

Die Frage ist: Können Menschen mit Diabetes diese Hilfen und Innovationen auch mit zunehmendem Alter noch weiter optimal für sich nutzen?

lachendes älteres Paar mit Tabletlachendes älteres Paar mit Tablet

Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, denn es schließen sich schnell weitere Fragen an: Wie lange ist sie oder er in der Lage, seinen Insulin Pen, seine Insulinpumpe, das CGM-System selbständig und vor allem sicher zu bedienen? Verstehen sie ihr Therapieschema, die angezeigten Blutzuckerwerte? Können sie selbstentscheidend und schnell auf niedrige Werte reagieren? Welche Unterstützung steht ihnen zur Verfügung? Wie wirkt sich der technische Fortschritt aus? Vielleicht könnte hier die oder der eine oder andere ältere Diabetespatientin - oder patient von Warn- oder Erinnerungssystemen an Insulin Pens, Blutzuckermessgeräten profitieren?

Leider neigt der Markt, bis auf ein paar wenige Ausnahmen, dazu, die Technik umfangreicher, die Menüs komplizierter und die Displays/Knöpfe kleiner zu machen, was bezogen auf ältere Diabetiker oft kontraproduktiv ist. Dabei sollte die Nutzung selbsterklärend und mit wenig Schulungsaufwand verbunden sein. Für eine optimale und sichere Nutzung der Technik bedarf es einer guten Einweisung, denn nur dann werden auch der ältere Patientinnen und Patienten von den Möglichkeiten der Technik profitieren, z.B. Alarmmeldungen bei Hyper- oder Hypoglykämien (Über-/Unterzuckerungen).

Egal ob Typ-1 oder Typ-2 Diabetes, das Personal in Krankenhäusern, Heimen und Pflege-/Senioreneinrichtungen wird in den kommenden Jahren mit jedweder Diabetesform vermehrt konfrontiert werden. Auch auf diesem Sektor bedarf es regelmäßiger, guter Weiterbildungen.

Ältere Frau bekommt einen CGM-Sensor gesetztÄltere Frau bekommt einen CGM-Sensor gesetzt

Erhaltung der Lebensqualität im Alter

Heute geht es vor allen Dingen um die Erhaltung der Lebensqualität im Alter, weniger um das Erreichen strenger HbA1C- oder Therapieziele. Eine möglichst lange, eigenständige Durchführung der Diabetestherapie mit Blutzuckermessungen und eventueller Insulininjektionen, regelmäßiger Tabletteneinnahme und die strikte Vermeidung von Unterzuckerung sind die Hauptziele. Denn eine falsche Insulindosis, fehlerhafte Tabletteneinnahme oder eine inkorrekte Injektion können für den älteren Patienten schwere Folgen haben. Deshalb sind oft höhere Zielwerte sinnvoll, die aber einfach und verständlich den Betroffenen vermittelbar sein müssen. Nicht selten ist ein Langzeitzucker zwischen 7–8% bei Symptomfreiheit laut DDG (Deutscher Diabetes Gesellschaft) völlig ausreichend.

Zwei ältere Männer im GesprächZwei ältere Männer im Gespräch

Heute geht es vor allen Dingen um die Erhaltung der Lebensqualität im Alter, weniger um das Erreichen strenger HbA1C- oder Therapieziele. Eine möglichst lange, eigenständige Durchführung der Diabetestherapie mit Blutzuckermessungen und eventueller Insulininjektionen, regelmäßiger Tabletteneinnahme und die strikte Vermeidung von Unterzuckerung sind die Hauptziele. Denn eine falsche Insulindosis, fehlerhafte Tabletteneinnahme oder eine inkorrekte Injektion können für den älteren Patienten schwere Folgen haben. Deshalb sind oft höhere Zielwerte sinnvoll, die aber einfach und verständlich den Betroffenen vermittelbar sein müssen. Nicht selten ist ein Langzeitzucker zwischen 7–8% bei Symptomfreiheit laut DDG (Deutscher Diabetes Gesellschaft) völlig ausreichend.

Unterstützung durch Angehörige oder Pflegedienste

Fehlt die Nähe zu einem geeigneten Diabetes-Behandler, egal ob Haus- oder Facharzt, und wird der Patient zunehmend immobil, dann müssen verstärkt Familienangehörige oder Pflegedienste ins Boot geholt werden. Das betrifft auch die Schulungen. Hier sollten Angehörige unbedingt dabei sein. Je nachdem, wann der Diabetes diagnostiziert wurde, kann man bei Diabetespatienten, die in jüngeren Jahren geschult worden sind, auf bestehendem Wissen aufbauen. Einem 70-jährigen Patienten jedoch fällt es wesentlich schwerer Neues zu erlernen.

Älterer Mann bei der Blutzuckermessung durch PflegekraftÄlterer Mann bei der Blutzuckermessung durch Pflegekraft

Diabetes Therapieformen im Alter

Älteres Paar löst ein Rezept in der Apotheke einÄlteres Paar löst ein Rezept in der Apotheke ein

Bei betagten Betroffenen muss in der Diabetestherapie immer Rücksicht auf die kognitiven Leistungen genommen werden. Grundsätzlich ist aber jede Therapieform möglich. Ob mit Tabletten, Insulin oder moderne Inkretinen, sie sollte in kleinen Schritten begonnen werden. Die Auswahl der Injektionshilfen, Tablettenblister, Blutzuckerteststreifen u.v.m., sollte von einer eingeschränkten Merkfähigkeit oder dem Vorliegen einer Arthrose abhängig gemacht und regelmäßig trainiert werden. Maximal zwei orale Antidiabetika sollten kombiniert werden, um eine Multimedikation zu vermeiden, denn ältere Menschen nehmen oft noch zusätzliche Arzneien gegen andere Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung, Gicht, Schilddrüsenunter-/-überfunktion etc. ein. Das Mittel der ersten Wahl bleibt nach wie vor das Metformin, da es bis zu einer Glomerulären Filtrationsrate (GFR) von 30ml/min eingesetzt werden kann.

Diabetes und eingeschränkte Nierenfunktion

Mit voranschreitendem Alter nimmt auf natürlichem Weg die Nierenfunktion allmählich ab, was aber durch eine langjährige Diabeteserkrankung oder eine Hypertonie (Bluthochdruck) noch zusätzlich beschleunigt werden kann. Besteht das Risiko einer „Austrocknung“ aufgrund schlechten Trinkverhaltens verschlechtert sich die Nierenleistung weiter, steht demnächst eine Röntgenkontrastmitteluntersuchungen an oder liegt ein fieberhafter Magen-Darm-Infekt vor, sollte Metformin pausiert bzw. in Absprache mit dem Arzt absetzt werden.

Behandlung bei eingeschränkter Nierenfunktion

Ältere Frau trinkt aus einer WasserflascheÄltere Frau trinkt aus einer Wasserflasche

Der Einsatz von Sulfonylharnstoffen (Amaryl, Glibenclamid) ist heute aufgrund des Unterzuckerungsrisiko, das im Alter schlecht oder zu spät wahrgenommen werden kann, nicht mehr geeignet. Aktuell werden bevorzugt sogenannte DPP-4-Hemmer (Gliptine) oder SGLT-2-Hemmer (Empagliflozin/Dapagliflozin) wegen ihrer herz- und nierenschützenden Wirkung verordnet. Essenziell ist bei dieser Medikamentenform eine ausgesprochen gute Körperhygiene im Genitalbereich, d.h. das Vorliegen einer Inkontinenz wäre kontraproduktiv.

Werden trotz aller Bemühungen die Therapieziele nicht erreicht, ist eine Insulingabe notwendig. Steht ein Krankenhausaufenthalt aufgrund einer OP an oder liegt eine akute Stoffwechselentgleisung vor, z.B. Cortisongabe bei rheumatischen Schüben, kann auch kurzfristig ein Insulin zum Einsatz kommen.

Ob es sich um eine supplementäre (mehrmalige Injektionen eines kurzwirksamen Insulins) oder eine basal unterstützte orale Therapie (ein Langzeitinsulin parallel zur Tabletteneinnahme) handelt, richtet sich nach individuellen Zielen und Fähigkeiten der Patientin bzw. des Patienten. Noch heute hält sich hartnäckig die Meinung, bei einer Insulintherapie handele es sich um einen „schweren“ Diabetes. Langfristig können sich aber die hauptsächlichen Symptome des Diabetes, wie Müdigkeit und Konzentrationsprobleme, deutlich verbessern.

Ernährung im Alter

Bei geriatrischen Patienten Ernährungsempfehlungen zu geben, ist eher nicht notwendig. In diesem Lebensabschnitt bedeutet Essen Lebensqualität. Um Fehlernährung entgegen zu wirken, sollte trotzdem eine abwechslungsreiche Mischkost angestrebt werden. Liebgewonnene Ernährungsgewohnheiten werden in der Regel nicht mehr geändert, sollten allerdings nicht zu einer akuten Stoffwechselentgleisung (Hyperglykämie) führen. Auf gutsitzenden Zahnersatz ist hierbei zu achten, denn das ist der häufigste Grund für eine Mangelernährung und die Entwicklung vom „Allesesser“ zum „Puddingvegetarier“.

Körperliche Bewegung im Alter

Auch im Alter sollte der Nutzen der körperlichen Bewegung nicht unterschätzt werden. Schon ein regelmäßiger Spaziergang wird sich positiv auf Knochen, Muskeln und die dementielle Entwicklung auswirken. Es heißt nicht umsonst: „Wer rastet, der rostet.“ Wir alle wissen, dass ein bestimmtes Maß an 19 Bewegung (5 × 30 min/Woche) das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen reduzieren kann. Positive Effekte auf Blutdruck, den Blutzucker und den Fettstoffwechsel sind allseits bekannt. Individuell ärztlich abgeklärt werden sollten Vorerkrankungen am Bewegungsapparat oder dem Herzen.

Entlassung aus dem Krankenhaus

Eine besondere Situation stellt immer die Entlassung aus dem Krankenhaus dar, wenn Medikamente in der Stärke verändert, neu verordnet oder auf andere Präparate umgestellt wurde. In der Häuslichkeit des Patienten, in einem ihm gewohnten Umfeld, ist sein Lebensrhythmus ein ganz anderer. Das Ess- und Trinkverhalten ist anders, die Bewegung vielfältiger und was im Krankenhaus funktionierte (Blutzuckerwerte, Blutdruck) muss zu Hause noch lange nicht funktionieren.

Betreuung durch den Hausarzt

Nun wird vor allem die gute Betreuung durch den Hausarzt wichtig. Neben- und Wechselwirkungen oder gar Schäden sind bei Polymedikation nicht selten, zumal sich die Wirkung und die Dauer der Wirkung von Medikamenten im Alter verändern. Das hängt auch mit einem veränderten Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt, eingeschränkter Leber- und Nierenfunktion und Zunahme von Fett- und Bindegewebe zusammen. Eine Störung im Natriumhaushalt hat nicht selten eine erhöhte Sturzgefahr zur Folge. Patient/in, Angehörige und Arzt entscheiden somit gemeinsam über die Notwendigkeit von zusätzlichen Medikamenten.

Wir alle träumen von einem rüstigen alten Menschen, der sich zu Hause selbständig versorgen kann. Die Medizin und Technik ebnen hierfür den Weg. Wir müssen versuchen, im Heute die Weichen für die Möglichkeiten im Morgen zu stellen. Und scheuen sie sich nie, auch im höheren Alter, noch etwas Neues zu erlernen. Wir unterstützen Sie gern.

Teilen:

Suchmaschine unterstützt von ElasticSuite Copyright © 2021 Magento. All rights reserved.