Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes)
Als Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) bezeichnet man eine Erhöhung des Blutzuckers, welche erstmals in der Schwangerschaft auftritt. Schwangerschaftsdiabetes wird laut dem Deutschen Gesundheitsbericht 2023 bei ca. 6,8 % der deutschen Schwangeren diagnostiziert und liegt an einer gestörten Insulinproduktion, die den erhöhten Blutzuckerwert, der bei einer Schwangerschaft natürlicherweise auftritt, nicht ausreichend senken kann.
Bei einem Schwangerschaftsdiabetes handelt es sich im Gegensatz zu Diabetes Typ 1 oder Diabetes Typ 2 nicht um eine chronische Krankheit, sondern um eine Stoffwechselstörung, die sich nach der Geburt meist wieder normalisiert.
Zu den Risikofaktoren zählen u.a. Übergewicht, eine Diabetes-Typ-2-Erkrankung, eine kohlenhydratreiche Ernährung und auch ein Alter über 30 Jahren. Ausreichend Bewegung und eine gesunde Ernährung helfen dabei, einen diagnostizierten Gestationsdiabetes zu behandeln und auch das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes zu senken. Findet keine Behandlung der Erkrankung statt, muss mit Komplikationen für Mutter und Kind während der Geburt gerechnet werden.
Was versteht man unter Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes)?
Während der Schwangerschaft ändert sich der Stoffwechsel, besonders ab der 20. Schwangerschaftswoche werden vermehrt Hormone gebildet, um die Versorgung des Kindes zu sichern. Dabei wird eine größere Menge Zucker im Blut bereitgestellt – ein erhöhter Blutzuckerspiegel während der Schwangerschaft ist also normal.
Das Hormon Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse gebildet und sorgt dafür, dass die Glukose aus dem Blut in die Körperzellen transportiert wird, damit der Blutzuckerspiegel absinkt. Bei einer Schwangeren erfüllt das Insulin seine Aufgabe nicht ausreichend und die Körperzellen reagieren nicht genug auf das Insulin – es herrscht eine physiologische Insulinresistenz. Es braucht somit länger, bis der Zucker in die Körperzellen gelangt
Normalerweise reagiert der Körper darauf mit einer gesteigerten Insulinproduktion, beim Schwangerschaftsdiabetes ist dieser Vorgang jedoch gestört. Durch den relativen Insulinmangel sammelt sich die Glukose im Blutkreislauf und der Blutzuckerspiegel steigt über die Grenzwerte. Nach der Geburt normalisieren sich dagegen die Werte bei den meisten Frauen wieder.
Ab welchen Werten spricht man von Schwangerschaftsdiabetes?
Da ein erhöhter Blutzuckerspiegel zu den typischen Auswirkungen einer Schwangerschaft gehört, ist der Übergang zum Gestationsdiabetes meist fließend. Ein Blutzuckersuchtest gibt Auskunft darüber, ob die Blutzuckerwerte in der Schwangerschaft anhaltend überschritten werden und sich so als Schwangerschaftsdiabetes herausstellen. Dieser ist seit dem 03.03.2016 fester Bestandteil der Schwangerenvorsorge und sollte in der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden. Der Schwangerschaft-Zuckertest besteht aus einem Vortest (kleiner Zuckerbelastungstest) und, wenn der Vortest auffällig ist, aus dem oralen Glukosetoleranztest (oGTT).
Beim kleinen Zuckerbelastungstest (Bestandteil der Vorsorge) werden 50 g Glukoselösung getrunken, dabei muss die Schwangere nicht nüchtern sein. Eine Stunde nach dem Verzehr der Lösung wird Blut aus der Armvene entnommen und die Höhe des Blutzuckers bestimmt. So wird herausgefunden, wie gut der Körper der Schwangeren eine größere Menge an Zucker verarbeiten kann.
Ist der gemessene Blutzuckerwert auffällig – liegt der Wert über 135 mg/dl (7,5 mmol/l) – so besteht der Verdacht auf Gestationsdiabetes und es wird zur Diagnosestellung zeitnah ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) mit 75 g Zuckerlösung durchgeführt.
Beim oGTT werden gleich drei Blutzuckerwerte kontrolliert. Liegen die Blutzuckerwerte in der Schwangerschaft über den festgelegten Grenzwerten, liegt ein Schwangerschaftsdiabetes vor:
- der Nüchternwert: ≥ 5,1 mmol/l (92 mg/dl)
- der Blutzuckerwert nach einer Stunde: ≥ 10,0 mmol/l (180 mg/dl)
- der Blutzuckerwert nach zwei Stunden ≥ 8,5 mmol/l (153 mg/dl)
Welche Symptome können bei Schwangerschaftsdiabetes auftreten?
Meistens gibt es keine speziellen Schwangerschaftsdiabetes-Symptome, vielmehr entsprechen diese den als typisch bewerteten Schwangerschaftssymptomen. Dazu zählen:
- Hoher Blutzuckerspiegel
- Müdigkeit
- Erhöhtes Durstgefühl
- Schwäche
Da diese Symptome nicht nur jenen des Gestationsdiabetes ähneln, sondern auch jenen des Diabetes mellitus, sollten Betroffene sich untersuchen lassen und ihren Blutzuckerspiegel im Blick behalten. Nur so können die Anzeichen auf einen Schwangerschaftsdiabetes überprüft werden.
Risikofaktoren für Diabetes in der Schwangerschaft
Es gibt gewisse Risikofaktoren, die einen Schwangerschaftsdiabetes begünstigen. Die Wahrscheinlichkeit für Schwangerschaftsdiabetes ist erhöht bei Vorliegen folgender Risikofaktoren:
- Übergewicht (Body-Mass-Index vor der Schwangerschaft höher als 27)
- Alter über 30 Jahre
- Diabetes mellitus Typ-2 bei Eltern oder Geschwistern
- Schwangerschaftsdiabetes in einer vorangegangenen Schwangerschaft
- Vorangegangene Geburt eines Kindes mit einem Geburtsgewicht über 4500 g
- Missbildungen des Kindes in einer früheren Schwangerschaft
- Vorangegangene Totgeburt
- Mehr als drei Fehlgeburten hintereinander
- Kohlenhydratreiche Ernährung
Wenn bei einer Schwangeren ein oder mehrere dieser Risikofaktor(en) vorliegen, sollte der oGTT bereits im ersten Schwangerschaftsdrittel durchgeführt werden. Bei einem unauffälligen Ergebnis wird empfohlen, den oGTT sicherheitshalber zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche erneut durchzuführen. Bei weiterhin unauffälligen Werten sollte der Test trotzdem zwischen der 32. und 34. Schwangerschaftswoche erneut wiederholt werden, da sich in diesem Zeitraum durch den nochmals deutlich erhöhten Insulinbedarf ein Gestationsdiabetes entwickeln kann.
Wie kann ich einem Gestationsdiabetes vorbeugen?
Jede Schwangere kann vom Gestationsdiabetes betroffen sein, weil die Blutzuckerwerte in der Schwangerschaft grundsätzlich durch die Änderung des Stoffwechsels ansteigen. Dennoch heißt es nicht, dass selbst wenn Risikofaktoren vorliegen, diese Frauen automatisch betroffen sein müssen. Häufige Bewegung und ausgewogenes Essen helfen bereits dabei, einige der Risikofaktoren auszuschließen und so einem Schwangerschaftsdiabetes vorzubeugen. Auch regelmäßige Arzttermine, bei denen alle Gesundheitsindikatoren überprüft werden, gehören zu den vorbeugenden Maßnahmen gegen Gestationsdiabetes.
Wie wird ein Schwangerschaftsdiabetes behandelt?
Die Therapie des Schwangerschaftsdiabetes besteht im Wesentlichen aus einer Umstellung der Ernährung und ausreichend Bewegung. Bei über 80 % aller Betroffenen kann der Schwangerschaftsdiabetes auf diese Weise erfolgreich behandelt werden.
Eine besondere Ernährung bei Diabetes ist wichtig, oft muss auch eine Ernährungsumstellung erfolgen, um den Schwangerschaftsdiabetes erfolgreich zu behandeln. Es sollten einfache Kohlenhydrate (insbesondere Haushaltszucker) vermieden und stattdessen viele ballaststoffreiche Vollkornprodukte gegessen werden. Neben der Aufstellung eines Schwangerschaftsdiabetes-Ernährungsplans sollte die Schwangere lernen, ihren Blutzucker selbst zu messen. Dabei hilft ein Blutzuckermessgerät, das den Blutzuckerwert vom auf den Blutzuckerteststreifen mit einer Lanzette aufgetragenen Bluttropfen misst. Diese Blutzuckerselbstmessungen erfolgen zunächst sechs Mal täglich, im weiteren Verlauf der Schwangerschaft bisweilen seltener.
Wenn trotz verbesserter Ernährung die Zielwerte für den Blutzucker überschritten werden, wird die Behandlung des Schwangerschaftsdiabetes mit Insulin empfohlen. Falls ein Schwangerschaftsdiabetes unentdeckt oder unbehandelt bleibt, kann dies zu großen und schweren Kindern führen und das Risiko für Komplikationen bei der Geburt erhöhen.
Sechs bis 12 Wochen nach der Geburt sollte der oGTT wiederholt werden, um den Blutzucker zu kontrollieren. Bei mehr als 95 % der ehemaligen Schwangerschaftsdiabetikerinnen sind die Blutzuckerwerte nach der Entbindung normalisiert. Es wird jedoch empfohlen, die Blutzuckerwerte weiterhin einmal pro Jahr kontrollieren zu lassen.
Wie gefährlich ist Schwangerschaftsdiabetes?
Während der Schwangerschaft können bei der Mutter verschiedene Risiken auftreten, wenn der Gestationsdiabetes nicht behandelt wird. Dazu zählen
- Harnwegsinfektionen und Infektionen der Vagina
- Vorzeitige Wehen, die das Risiko einer Frühgeburt erhöhen
- Risiko der Entwicklung eines Typ-2-Diabetes im späteren Leben
- Erhöhtes Risiko einer Kaiserschnittentbindung
- Risiko für Präeklampsie steigt, bei der vermehrt Eiweiß im Urin ausgeschieden wird und der Blutdruck steigt
Auch während der Geburt kann es bei einem unbehandelten Schwangerschaftsdiabetes zu Komplikationen kommen, da das Geburtsgewicht der Kinder besonders hoch ist und auch die Größe die Normalwerte überschreitet. Nach Austritt des Kopfes kann es so zu Verzögerungen kommen, wenn die Schultern des Kindes im Becken der Mutter hängenbleiben (Schulterdystokie). Das Kind könnte dabei nicht genügend Sauerstoff bekommen und gleichzeitig steigt damit auch das Risiko der Verletzung von Mutter und Kind. Eine ausgewogene Ernährung, viel Bewegung und das Vermeiden von Übergewicht helfen dabei, einen Schwangerschaftsdiabetes entsprechend zu behandeln und die Risiken zu minimieren.
Kann Schwangerschaftsdiabetes auf das Baby übertragen werden?
Die meisten Schwangerschaften laufen trotz Schwangerschaftsdiabetes normal ab und das Kind wird gesund zur Welt gebracht. Voraussetzung ist jedoch die richtige Behandlung der Stoffwechselstörung. Wird dem Ungeborenen dauerhaft zu viel Zucker über die Nabelschnur geliefert, stellt die Bauchspeicheldrüse des Kindes vermehrt Insulin her. Da dieses Hormon jedoch auch für das Wachstum verantwortlich ist und Fetteinlagerungen anregt, steigen der Körperfettanteil und das Gewicht des Kindes. Wird ein Schwangerschaftsdiabetes also nicht behandelt, kann es zu folgenden Auswirkungen beim Kind kommen:
- Makrosomie (übermäßiges Wachstum des Fötus)
- Atembeschwerden nach der Geburt wegen Größe oder überschüssiger Flüssigkeit um den Hals des Babys
- Erhöhtes Risiko der Fettleibigkeit und späteren Erkrankung an Typ-2-Diabetes
Gestationsdiabetes kann also in dem Sinne auf das Kind übertragen werden, als dass er das Risiko für Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes im späteren Leben des Kindes verstärkt, wenn es keine entsprechende Diabetes-Behandlung gibt. Deshalb ist es so wichtig, den Blutzuckerspiegel während der gesamten Schwangerschaft zu überwachen und den Schwangerschaftsdiabetes entsprechend zu behandeln, damit weder Komplikationen auftreten noch sich gesundheitliche Risiken für das spätere Leben des Kindes entwickeln.
Was müssen Typ-1-Diabetikerinnen bei einer Schwangerschaft beachten?
Bei Typ1-Diabetikerinnen, die schwanger werden wollen, wird empfohlen, die Blutzuckerwerte bereits vor der Empfängnis im persönlichen Zielbereich zu normalisieren. Auch während der Schwangerschaft werden möglichst normale Blutzuckerwerte angestrebt, um die Gesundheit des werdenden Kindes sicherzustellen.
Dies kann z.B. durch eine Therapie mit Insulinpumpe erreicht werden. Das ist auch der Grund, warum bei Frauen mit Typ-1-Diabetes und Kinderwunsch eine Insulinpumpentherapie von den Krankenkassen in der Regel genehmigt wird.
(Dr. med. Winfried Keuthage, Diabetologe DDG) Lesen Sie im Mediq-Ratgeberflyer Gestationsdiabetes - Diabetes in der Schwangerschaft nach, was Sie über Schwangerschaftsdiabetes wissen müssen.