Gestationsdiabetes: Schwanger - Verantwortung für zwei (oder mehr) Leben

Warum ausgerechnet ich? Was passiert jetzt mit meinem Kind?

Diese Fragen stellt sich wohl jede werdende Mutti, wenn sie beim Gynäkologen mit dem Verdacht oder der Diagnose Schwangerschaftsdiabetes erstmals konfrontiert wird. Bisher war das Heranwachsen des neuen Lebens im Bauch etwas Wunderbares. Sie haben die Veränderungen in Ihrem Körper gespürt, die Glücksgefühle waren ungetrübt. Und nun soll auf einmal Etwas nicht in Ordnung sein …

Schwanger Diabetikerin beim Essen

Jede Schwangerschaft stellt eine große Belastung für den Stoffwechsel der Mutter dar. Aufgrund der hormonellen Veränderungen, wie z. B. dem Anstieg von Östrogen oder dem Wachstumshormon, welche für die Entwicklung des Kindes notwendig sind, wird die Insulinempfindlichkeit der Mutter zunehmend geringer. Gesunde Schwangere können den Mehrbedarf an Insulin durch die gesteigerte Produktion in der Bauchspeicheldrüse ausgleichen. Bei derzeit ca. 6 % der Schwangeren reicht die gesteigerte Insulinfreisetzung dennoch nicht aus, so dass es zum Anstieg des Blutzuckers in Zeiten des erhöhten Bedarfs (in den frühen Morgenstunden und/ oder nach den Mahlzeiten) kommt.

Diesen erhöhten Zuckergehalt im Blut nennt man Hyperglykämie. Tritt dieses Problem erstmals in der Schwangerschaft auf, kommt es zur Diagnose eines Schwangerschaftsdiabetes, der auch Gestationsdiabetes genannt wird. Meist entwickelt sich diese Störung des Zuckerstoffwechsels unbemerkt im 2. Drittel der Schwangerschaft. Nach der Entbindung verschwindet in der Regel der Gestationsdiabetes wieder.

Der Weg zur Diagnose

Häufig wird beim Gynäkologen zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche ein 50 g Zuckertest durchgeführt. Ist dessen Ergebnis nicht im Normbereich (1 Std. nach Trinken von 50 g Glukose in 200 ml Wasser sollte der Blutzucker kleiner als 7,5 mmol/l bzw. 135 mg/dl sein), wird zeitnah ein Termin für einen sogenannten oralen Zucker (Glukose)- Toleranztest (OGTT) vereinbart.

Dieser Test wird unter standardisierten Bedingungen durchgeführt:

  • 10 Stunden vor Testbeginn nüchtern bleiben
  • vor Test keine außergewöhnliche körperliche Belastung
  • kein Infekt
  • 75 g Glukose in 300 ml Wasser gelöst innerhalb von 5 Minuten schluckweise trinken
  • beim Test nicht rauchen oder herum laufen (eher sitzen oder liegen)

Grenzwert in venösem Plasma

Zeitpunkt

50 g Zuckertest

75 g Zuckertest

mmol/l

mg/dl

mmol/l

mg/dl

nüchtern

   

5,1

92

nach 1 Stunde

7,5

135

10,0

180

nach 2 Stunden

   

8,5

153

Die Blutzuckermessungen, zum Beispiel mit einem Blutzuckermessgerät, erfolgen nüchtern, nach 1 und nach 2 Stunden durch Blutentnahme. Die alleinige Messung mit Handblutzuckermessgeräten ist zur Diagnoseerhebung nicht zulässig. 
Zur Diagnosestellung reicht bereits ein erhöhter Blutzuckerwert.

Gibt es Risikofaktoren?

Schwangerschaftsdiabetes kann generell bei jeder werdenden Mutter auftreten. Das Risiko einer Erkrankung erhöht sich bei Frauen, bei denen folgende Faktoren gegeben sind:

  • Alter über 45 Jahre
  • erhöhtes Gewicht vor und während der Schwangerschaft (BMI vor der Schwangerschaft 27 oder höher)
  • Auftreten eines Diabetes im familiären Umfeld
  • frühere Geburt eines Kindes mit einem Geburtsgewicht von über 4500 g
  • mehr als drei Fehlgeburten hintereinander
  • Glukoseabsonderungen im Harn
  • erhöhte Fruchtwassermenge
  • starker Bluthochdruck
  • Gestationsdiabetes in einer vorhergehenden Schwangerschaft
  • Missbildungen des Kindes in einer früheren Schwangerschaft
  • vorangegangene Totgeburt
  • Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe mit Disposition zum Diabetes (Frauen aus dem mittleren Osten, Indien, Pakistan, Bangladesch, Afrika oder Mittelamerika)

Im Falle eines erhöhten Risikos wird der OGTT bereits erstmals ab der 12. Schwangerschaftswoche empfohlen. 
Bei unauffälligem Ergebnis wird empfohlen, den Screeningtest im Verlauf der Schwangerschaft zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche zu wiederholen.

Konsequente Behandlung

Auch wenn Sie sich hoffentlich in Ihrer Schwangerschaft richtig gut und gesund fühlen, nichts von den erhöhten Blutzuckerwerten bemerken, Ihrem ungeborenen Kind bleibt es nicht verborgen.
Ihr Kind versucht, das erhöhte Zuckerangebot im Fruchtwasser für sich zu nutzen, in dem es selbst mehr Insulin produziert. Dadurch wird das Kind größer und schwerer, das Risiko für eine Frühgeburt mit unzureichender Lungenreife bzw. einem notwendigen Kaiserschnitt steigt.
Auch Ihr Risiko für Harnwegsinfekte, Bluthochdruck und Wassereinlagerungen steigt.

Wir möchten, dass es Ihnen und Ihrem Kind gut geht!
Deshalb sollte sehr schnell nach der Diagnose die Vorstellung beim spezialisierten Arzt, dem Diabtologen, und seinem Team erfolgen. Da erfahren Sie alles Wichtige zum Schwangerschaftsdiabetes und lernen, selbst korrekt unter Alltagsbedingungen Ihren Blutzucker zu kontrollieren. In der Regel stellen Sie sich dann mit drei Tagesprofilen zeitnah zu einem zweiten Termin in der Diabetologischen Praxis erneut vor.

Blutzucker-Tagesprofil

Zeitpunkt

Blutzuckerzielwert

mmol/l

mg/dl

vor Frühstück

<5,3

<95

1 h nach dem Essen

<7,8

<140

vor Mittagessen

<5,3

<95

1 h nach dem Essen

<7,8

<140

vor Abendessen

<5,3

<95

1 h nach dem Essen

<7,8

<140

Was kann ich selbst tun?

Die entscheidende Grundlage der Behandlung des Schwangerschaftsdiabetes stellt eine gesunde und ausgewogene Ernährung dar.
Es gilt: Auf das richtige Maß kommt es an. Weder zu viel essen, noch eine Diät zu halten, sind angebracht! 

Berücksichtigen Sie bitte folgende Ernährungsempfehlungen:

  • Trinken Sie ausreichend und zuckerfrei! (Meiden Sie bitte alle zuckerhaltigen Getränke wie z. B. Limonaden, fertige Milch-, Tee- oder Kaffeezubereitungen mit Zucker.) Reine Obstsäfte können Sie in Kleinstmenge (100 ml) direkt zu einer Mahlzeit pur oder als Schorle kombinieren.
  • Obst essen Sie bitte stets mit der Hauptmahlzeit oder kombinieren es zur Zwischenmahlzeit mit Naturquark oder Naturjoghurt.
  • Gemüse können Sie jederzeit reichlich essen.
  • Bevorzugen Sie Vollkornprodukte (Backwaren, Nudeln, Reis).

Stillende Diabetikern

  • Essen Sie bitte mindestens 3–5 Mahlzeiten; große Essabstände führen zur Übersäuerung und können Ihrem Kind schaden. Beachten Sie jedoch die Gesamtkalorienaufnahme, Sie sollten nicht für zwei essen.
    Sind Sie übergewichtig, ist eine leicht reduzierte Kalorienzufuhr sinnvoll, Sie dürfen jedoch nicht hungern!
  • Ein Stück Schokolade ist kein Gift, eine Tafel jedoch zu viel. Die Tüte Gummibärchen lässt den Blutzucker allerdings deutlich schneller ansteigen, also bitte Bärenabstand halten.

Eine ausführliche Ernährungsberatung erhalten Sie von Ihrem Diabetesteam in Abhängigkeit Ihrer Blutzuckerwerte, Ihrer Gewichtsentwicklung und den Ergebnissen der Ultraschallkontrollen Ihres Kindes.

Empfohlener Bereich der Gewichtszunahme während der Schwangerschaft:

BMI vor SWS (kg/m2) gemäß WHO

Gewichtszunahme in der SWS

(in kg)

Gewichtszunahme/ Woche

im 2. und 3.Trimenon (in kg)

< 18,5

12,5-18

0,5–0,6

18,5–24,9

11,5-16

0,4-0,5

25,0–29,9

7-11,5

0,2-0,3

30

5-9

0,2-0,3



Bewegung dient nicht nur Ihrem Wohlgefühl, sondern kann auch ihre Insulinempfindlichkeit verbessern und zur Blutzuckernormalisierung beitragen.

INSULINTHERAPIE

Ihre Blutzuckerwerte sind trotz Ihrer Bemühungen immer wieder zu hoch?
Dann wird eine Insulinbehandlung zur Ergänzung Ihres eigenen Insulins notwendig. Oft reichen schon wenige Insulineinheiten aus, um eine gute Blutzuckereinstellung zu erreichen.

Welches Insulin, wann und in welcher Dosis für sie notwendig ist, entscheidet Ihr Diabetesteam gemeinsam mit Ihnen. In Ruhe werden Sie mit der unkomplizierten Technik vertraut gemacht und lernen den korrekten Umgang.
Bis zum Ende der Schwangerschaft werden Sie vom Gynäkologen und vom Diabetesteam unterstützt und begleitet, um auf die sich ändernden hormonellen Bedingungen zeitnah reagieren zu können.

GEBURTSPLANUNG

Schwangeren mit Insulintherapie wird die Entbindung in einer spezialisierten Einrichtung empfohlen. Nehmen Sie daher rechtzeitig Kontakt mit der gewünschten Entbindungsklinik auf. Dort bzw. beim Diabetologen wird mit Ihnen auch besprochen, wann Sie die Insulintherapie beenden und erneut ein Blutzuckertagesprofil erstellen sollten.
Dies wird in der Regel 2 Tage nach der Entbindung mit 4 Blutzuckermessungen gemacht. Bei erhöhten Werten nehmen Sie bitte erneut Kontakt zum Diabetesteam auf.
Zum endgültigen Ausschluss eines Diabetes sollte 6–12 Wochen nach der Entbindung erneut ein OGTT durchgeführt werden.
Bei unauffälligem Testergebnis wird der Diabetestest alle 2-3 Jahre wiederholt, zusätzlich natürlich bei jeder weiteren Schwangerschaft.

WAS KÖNNEN SIE NOCH FÜR SICH UND IHR BABY TUN?

Bild

Versuchen Sie unbedingt Ihr Baby mindestens 4-6 Monate zu stillen. Sie fördern damit nicht nur die gesunde Entwicklung Ihres Kindes, Sie schützen es auch vor Infektionen, Allergien und reduzieren das Risiko von Übergewicht und der Entwicklung eines Diabetes.
Außerdem reduziert sich durch das Stillen auch Ihr Risiko, später einmal dauerhaft an Diabetes zu erkranken.
Achten Sie für sich und Ihre Familie auf eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung!

Alles Gute für Sie und Ihre Familie
Ihre Ulrike Holzmüller Diabetesberaterin DDG, Leipzig

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