Schilddrüse & Diabetes: Wie die Schaltzentrale im Hals unser Leben beeinflusst
Die wallnussgroße, maximal 25 g schwere Hormondrüse befindet sich in der Mitte des Halses, unterhalb des Kehlkopfes. Mit ihren zwei Drüsenläppchen sieht sie einem Schmetterling sehr ähnlich. Obwohl man die Schilddrüse meist gar nicht spürt, würde es doch ohne sie in unserem Körper drunter und drüber gehen. Grund dafür sind verschiedene Hormone, welche sie täglich ausschüttet. Diese beeinflussen unseren gesamten Organismus: z. B. unser Herz-Kreislauf-System, die Verdauung, den Knochenaufbau und sogar wie wir uns fühlen.
So klein wie das Organ ist, so großartig ist seine Leistung: In nur 1,5 Stunden fließt das gesamte Blut im Körper einmal durch die Schilddrüse. Damit ist sie viel stärker durchblutet als unsere Nieren. Produziert werden in der „Fabrik Schilddrüse“ Hormone, hauptsächlich Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4), die direkt ins Blut abgegeben werden. Als „Arbeits-Baustoffe“ werden dazu vor allem Jod, aber auch Selen und Zink benötigt.
Der Befehl kommt von "oben"
Fast alle Vorgänge in unserem Körper werden durch das Gehirn gesteuert. So auch bei der Schilddrüse, denn diese schüttet nicht automatisch die richtige Menge der gerade benötigten Hormone aus. Der Befehl dazu kommt aus dem Hypothalamus und der Hirnanhangdrüse, auch Hypophyse genannt. Sinkt im Körper die Konzentration der Schilddrüsenhormone T3 und T4, wird dies vom Gehirn registriert. Im Hypothalamus wird das Hormon TRH (Thyreotropin Releasing Hormon) freigesetzt und zur Hirnanhangdrüse weitergeleitet. Diese reagiert darauf mit der Freisetzung des Hormons TSH (Thyreotropin).
Steigt nun der TSH-Spiegel im Körper an, beginnt die „Fabrik Schilddrüse“ mit der Produktion der Hormone, die direkt ins Blut abgegeben und im gesamten Körper verteilt werden. Die so steigende Konzentration der Schilddrüsenhormone wiederum wird vom Gehirn registriert und die Produktion des TSH zurückgefahren. Dieser komplizierte hormonelle Regelkreis mit Rückkopplungsmechanismus sorgt also dafür, dass unser Hormonhaushalt im Gleichgewicht bleibt.
Die Schilddrüse - so wichtig wie das Herz
Die Hormone T3 und T4 regulieren, ob unser Stoff wechsel auf Hochtouren oder auf Sparfl amme läuft. Somit lenkt die Schilddrüse von ihrem „Standort“ im Hals fast alle wichtigen Funktionen in unserem Körper: Sie beeinfl usst den Sauerstoff - und Energieverbrauch, die Körperwärme, den Mineralstoff - und Wasserhaushalt, reguliert den Fettstoff wechsel, die Schweißproduktion und die Darmtätigkeit. Die gesunde Schilddrüse sorgt für einen stabilen Grundumsatz des Körpers und fördert den Abbau von Fetten und Kohlenhydraten. Auch Sexualität, Fruchtbarkeit, ja sogar das Wachstum von Haut, Haaren und Nägeln werden so gesteuert.
Die Hormone wirken außerdem auf das Herz-Kreislaufsystem: sie können die Blutgefäße erweitern, den Herzschlag beschleunigen und den Blutdruck erhöhen. Und weil T3 und T4 auch in die Stoffwechselvorgänge unserer Nervenzellen eingreifen, werden sogar unsere Persönlichkeit und unser persönliches Wohlbefinden beeinflusst.
Darüber hinaus spielt die Schilddrüse eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Menschen. Von den ersten Tagen im Mutterleib bis zum jugendlichen Alter steuert die Schilddrüse die gesamte körperliche und geistige Entwicklung. Ohne Schilddrüsenhormone können Kinder nicht gesund heranwachsen.
Wenn die Schilddrüse streikt
Bei dieser Anzahl von Funktionen und Prozessen, bei denen die Schilddrüse ihre Hand, bzw. besser gesagt ihre Hormone im Spiel hat, sind natürlich auch die Symptome bei Fehlfunktionen vielfältig. So sind Stoffwechsel- oder Befindlichkeitsstörungen typisch. Entzündungen der Drüse können Schmerzen verursachen, eine Vergrößerung des Organs, ein Druck- oder Engegefühl erzeugen. Es gibt jedoch auch Schilddrüsenerkrankungen, die lange Zeit ohne Symptome verlaufen und erst im fortgeschrittenen Stadium Beschwerden verursachen. Obwohl mehr als 30 Prozent aller Deutschen an einer Fehlfunktion der Schilddrüse leiden, wird dies aufgrund der vielen möglichen Symptome oft erst sehr spät diagnostiziert.
Formen und Ursachen von Schilddrüsen-Fehlfunktionen
Prinzipiell lassen sich die Funktionsstörungen der Schilddrüse in Über- oder Unterfunktion einteilen.
Eine Ursache für eine Fehlfunktion kann eine Entzündung der Schilddrüse sein. Diese können Viren oder Bakterien verursachen. In den allermeisten Fällen steckt aber eine fehlgeleitete Abwehrreaktion des Körpers (Autoimmunkrankheit) dahinter. Dabei richten sich Zellen des körpereigenen Immunsystems nicht nur gegen eingedrungene Fremdkörper, sondern auch gegen körpereigene Zellen. Auf die Schilddrüse kann eine Autoimmunkrankheit zwei Auswirkungen haben: Das Immunsystem attackiert die Strukturen der Schilddrüse und zerstört diese. Das Organ schrumpft und bildet weniger Hormone. Es kommt zu einer Unterfunktion. Diese chronische Schilddrüsenentzündung heißt Hashimoto-Thyreoiditis.
Wenn aber die „falsch produzierten“ Antikörper die auf der Schilddrüse liegenden Rezeptoren für das TSHHormon aktivieren, wird die Schilddrüse dauerhaft stimuliert und der hormonelle Regelkreis unterbrochen. Das heißt die Drüse reagiert einfach nicht mehr auf die „Befehle“ unseres Gehirns, sondern produziert ununterbrochen Hormone. Eine Überfunktion der Schilddrüse ist die Folge. Dieses Krankheitsbild heißt Morbus Basedown.
Doch die häufigste Ursache für eine Vergrößerung der Schilddrüse, Struma oder im Volksmund auch Kropf genannt, ist Jodmangel. Wie schon erwähnt, ist Jod der Baustoff, den die Drüse benötigt, um die Hormone zu produzieren. Wird nicht ausreichend Jod aufgenommen, versucht die Schilddrüse dieses Defizit auszugleichen indem sie sich vergrößert.
Therapieformen
Je nach Erkrankung unterscheidet sich die Therapie. Auf jeden Fall sollte ein Facharzt aufgesucht werden. Bei einer Unterfunktion müssen meist lebenslang Hormone z. B. in Tablettenform eingenommen werden. Auch bei einer Überfunktion wird zunächst eine medikamentöse Behandlung probiert. Wenn diese Versuche nicht erfolgreich sind, können operative Maßnahmen oder eine Radiojodtherapie notwendig werden.
Mit Jod dem Kropf an den Kragen
Jodmangel gehört zu den wenigen Mangelerscheinungen, die in Deutschland nach wie vor sehr weit verbreitet sind. Denn unser Körper kann Jod nicht selbst herstellen, es muss mit dem Essen aufgenommen werden. Das ist jedoch nicht ganz so einfach, da Deutschland zu den ärmsten Regionen Europas gehört. Die Gletscherschmelze vor vielen tausend Jahren schwemmte einen Großteil des Spurenelementes aus den Böden. Früher war besonders dort, wo jodreicher Seefisch nicht auf dem Speiseplan stand, die unschöne Wucherung am Hals weit verbreitet. Diese wurde mit dem sogenannten Kropfband kaschiert, auch heute noch gehört das Band zur bayrischen Tracht.
Heute ist die Versorgung mit Jod durch die Verwendung von jodiertem Speisesalz (Jodsalz) leicht, günstig und effektiv. Doch viele Lebensmittelhersteller produzieren vermehrt für den weltweiten Markt. Da in vielen Regionen (z. B. in den U.S.A.) Jodmangel kein Thema ist, verwenden große Hersteller immer weniger Jodsalz. Wer nun zu Hause viel zu Fertigprodukten greift, nimmt demzufolge weniger mit Jod angereichertes Speisesalz zu sich. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt einen täglichen Konsum von 150 - 200 Mikrogramm Jod.
Am besten werden diese Werte durch selber kochen erreicht. Meeresfrüchte, Fisch und Algen enthalten von Natur aus viel Jod. Wenn diese 2 Mal pro Woche auf dem Speiseplan stehen, können Sie auf jodiertes Speisesalz verzichten. Alle anderen sollten ihre Speisen selber zubereiten und mit jodiertem Speisesalz würzen. Viele Leser haben jetzt sicherlich die Warnung der Ärzte vor zu viel Salz im Kopf. Doch in Fertigprodukten steckt meist sehr viel mehr Salz als in Selbstgekochtem. Sie können also bei einer ausgewogenen Ernährung bedenkenlos ins (Jod-) Salzfass greifen.
Kranke Schilddrüse - Schlechte Blutzuckerwerte
An Diabetes und an einer Fehlfunktion der Schilddrüse sind viele Menschen in Deutschland erkrankt. Dennoch besteht nicht nur ein rein zufälliger Zusammenhang zwischen beiden Erkrankungen, die den Stoff wechsel maßgeblich beeinflussen. Der Typ-1 Diabetes gehört, ebenso wie viele Schilddrüsenfunktionsstörungen zu den Autoimmunkrankheiten und ein direkter Zusammenhang ist nachgewiesen. Aber egal bei welchem Typ, wenn die Blutzuckerwerte plötzlich verrückt spielen, kann das ein Hinweis auf eine sich neu etablierende Störung der Schilddrüse sein.
Wie hoch oder niedrig der Blutzuckerspiegel ist, bestimmt zum einen das Hormon Insulin. Doch auch andere Hormone wie z. B. die Schilddrüsenhormone können den Blutzucker beeinflussen.
Bei Unterfunktione droht Unterzuckerung
Eine Schilddrüsenunterfunktion verringert den Bedarf an Insulin. Zum einen, weil die sich die Empfindlichkeit gegenüber Insulin erhöht. Zum anderen wird die Magen-Darm-Aktivität herabgesetzt. Das bewirkt, dass Glukose im Körper langsamer oder weniger aufgenommen wird. Dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel und es kann zu einer gefährlichen Unterzuckerung kommen. Sogar eine ganz leichte, noch nicht entdeckte Unterfunktion kann bei einem an Diabetes Erkrankten Unterzuckerungen auslösen. Wird durch die bedarfsgerechte Einnahme des Schilddrüsenhormons L-Thyroxin die Schilddrüsenfunktion normalisiert, treten meist auch Unterzuckerungen nicht mehr so häufig auf. Bei Menschen mit einem gesunden Stoffwechsel löst eine Schilddrüsenunterfunktion in der Regel keine Unterzuckerung aus.
Kurz gefasst - Eine Unterfunktion beeinfl usst Diabetes durch:
- Verminderte Magen-Darm-Bewegung und verminderte Glukoseaufnahme
- Verringerten Insulinbedarf
- Erhöhte Emfpindlichkeit für Insulin
Zu viel lässt die Blutzuckerwerte steigen
Wenn die Schilddrüse unkontrolliert Hormone produziert, läuft der gesamte Stoff wechsel auf Hochtouren. Betroffene nehmen dann stark ab, schwitzen viel, sind nervös und zittern leicht. Die vielen Hormone sorgen dafür, dass der Körper unempfindlicher für die Wirkung von Insulin wird. Die Bauchspeicheldrüse schüttet (noch) weniger Insulin aus und die Leber produziert mehr Glukose. Hohe Blutzuckerwerte sind die Folge. Doch häufig werden die hohen Werte auf eine unzureichende Diabetestherapie geschoben, ein Zusammenhang mit einer Schilddrüsenüberfunktion wird oft erst sehr spät erkannt. Dabei kann schon eine leichte Überproduktion die Blutzuckerwerte gehörig steigen lassen. Deshalb ist es gerade für Diabetiker wichtig, ein Diabetes-Tagebuch zu führen. Egal ob handschriftlich oder elektronisch gibt es dem behandelnden Arzt wichtige Hinweise, ob Therapiefehler oder etwa eine Schilddrüsenüberfunktion vorliegen.
Die Behandlung einer Überfunktion durch Medikamente, eine Operation oder eine Radiojodtherapie kann eine Weile dauern. Deshalb kann es bei Typ-2 Diabetikern notwendig sein, die Diabetes-Therapie von Medikamenten (den sogenannten Antidiabetika) vorübergehend auf Insulin umzustellen. Wenn sich der Hormonspiegel der Schilddrüsenhormone wieder normalisiert hat, reicht die bisherige Diabetes-Therapie meist wieder aus.
Kurz gefasst - Eine Überfunktion beeinflusst Diabetes durch:
- Vermehrte Glukoseaufnahme durch Körper
- Hemmung der Insulinausschüttung
- Erhöhter Insulinbedarf
- Verringerte Insulinempfindlichkeit
Diabetes und Jodmangel
Auch wenn repräsentative Studienergebnisse zu diesem Thema bislang fehlen, ist davon auszugehen, dass Diabetiker einen höheren Bedarf an Jod haben. Denn wenn die Blutzuckerwerte schlecht eingestellt sind oder bei Diabetikern, die schon viele Jahre mit der Krankheit leben, können die kleinen Gefäße in den Nieren in ihrer Funktion beeinträchtigt sein. Dann wird Jod vermehrt mit dem Urin ausgeschieden und steht der „Fabrik Schilddrüse“ als Baustoff nicht mehr zur Verfügung. Deshalb wird Menschen mit Diabetes empfohlen, täglich 180 - 200 Mikrogamm Jod aufzunehmen.
Fazit
Aufgrund der Häufigkeit von Schilddrüsenerkrankungen und Diabetes sollten die Schilddrüsenwerte regelmäßig kontrolliert werden. Mindestens einmal im Jahr oder wenn die Blutzuckerwerte plötzlich verrücktspielen, sollte ein Screening der Schilddrüsenwerte erfolgen. Oftmals können die Werte beim Hausarzt abgenommen werden, für eine spezielle Untersuchung inklusive Ultraschall und genauer Antikörperdiagnostik ist oft ein Besuch beim Endokrinologen (Facharzt) zu empfehlen.