Nightscout – Die Idee vom Glukose-Monitoring in der Cloud

Projekt Nightscout: Wie alles anfing

Das Projekt Nightscout begann mit den Sorgen eines Vaters, der sich um seinen vierjährigen Sohn kümmern wollte. Dieser war gerade frisch mit Typ1-Diabetes diagnostiziert worden. Das war 2013. Er wollte eine Möglichkeit schaffen, die Daten, die das CGM-System seines Sohnes lieferte, überall per Internet zur Verfügung zu haben. Damals gab es keine kommerziellen Angebote dieser Art.

Die Idee dieses Vaters, John Costik, steckte binnen kurzem - auch durch die Verbreitung über Twitter - die ganze technik-affine Typ1-Diabetes-Community an und es unterstützten ihn zahlreiche weitere, meist selbst Betroffene Typ1er/innen, u.a. Ben West und auch Bigfoot-Gründer Lane Desborough. Das Open-Source-Projekt „CGM in the Cloud“ war geboren. Gleichzeitig entstand der Hashtag #WeAreNotWaiting. Damit wurde und wird ausgedrückt, dass die von T1 Betroffenen nicht länger warten wollen, bis die Industrie entsprechende Lösungen anbietet. Man beschloss einfach, selbst die Initiative zu ergreifen. Das war 2014.

Welche Möglichkeiten bietet Nightscout

Nightscout wurde und wird stetig weiterentwickelt und bietet die Möglichkeit, Glukose- und Behandlungsdaten von Personen mit Diabetes (abgelegt in einer Datenbasis) visuell aufzubereiten und diese per Internet in Echtzeit überall abrufbar zur Verfügung zu stellen. Der folgende Screenshot (Abb.1) soll einen Eindruck vermitteln, wie umfassend die Darstellungsmöglichkeiten für die Stoffwechsellage einer Betroffenen bzw. eines Betroffenen sind. 

Abb.1: Eine Momentaufnahme von Nightscout als Analysetool für Android-APS

Abb.1: Eine Momentaufnahme von Nightscout als Analysetool für Android-APS (OpenAPS-Algorithmus)

Es liegt nahe, diese Datensammlung dann auch für statistische Auswertungen zu nutzen (Abb.2). In einem folgenden Blog-Beitrag erfahren Sie noch mehr über die therapeutischen Möglichkeiten und die statistischen Parameter von Nightscout.

Datensammlung dann auch für statistische Auswertungen zu nutzen (Abb.2)

Abb.2: Beispiel für einen Nightscout-Bericht, statistische Auswertung

Wie hängt Nightscout mit AID (Automatische Insulin Dosierung) zusammen?

Es war keine geringere als Dana M. Lewis (die Initiatorin der Open-Source-“Bewegung“ OpenAPS für die Umsetzung einer Automatischen Insulin Dosierung), die mit John Costik Kontakt aufnahm, als sie versuchte, die Alarme für ihr CGM-System lauter zu bekommen.

Das Problem war, dass sich die Standard-Medizin-Produkte nicht oder nur sehr wenig anpassen ließen. Nightscout wurde so zunächst zum ersten Kontroll-Zentrum für eine Individualisierung von Alarmen. Aber es ging nicht nur darum, die Alarme lauter und leiser zu stellen sondern auch darum, die Art zu variieren, dass kein Gewöhnungseffekt entsteht. Jedes moderne Handy hat verschiedene Klingeltöne, so gibt es auch die Möglichkeit, bei Nightscout den Alarmton zu verändern (Rhythmus, Klang etc.), damit der "Hallo-Wach-Effekt" nicht verloren geht.

Bei der Analyse der Daten (Insulin-Gaben, Essens- bzw. Kohlehydratmengen und korrespondierende Glukose-Entwicklung) zeichnete sich dann ab, dass  diese Informationen eine immer präzisere Vorhersage der Verläufe ermöglichten. Später wurde Nightscout damit zum Kontroll-Werkzeug für die erste Do-It-Yourself-Closed-Loop-Applikation, OpenAPS war geboren.

Was braucht man für Nightscout

Auch heute noch ist es für Einsteiger/innen in die Welt des DIY-Loops verpflichtend, sich als Erstes ein Nightscout-System einzurichten. Die Verbindung zu Nightscout ist somit der erste Schritt im umfassenden Lernprogramm („Zielvorgaben“) beim Aneignen des Android-APS/OpenAPS-Systems (ebenso bei IOS-Loop).

Die Komponenten für ein Nightscout System sind:

  1. Ein CGM-System (Dexcom G5/G6, Libre L2, Eversense, etc.)
  2. Ein Uploader (in der Regel ein Android- oder IOS-Phone)
  3. Eine Datenbank (z.B. Mongo-Lab-DB/kostenlos oder sehr geringe Kosten)
  4. Die Visualisierungssoftware (Heroku, Azure)/Grafische Darstellung der Daten
  5. Ein Nightscout-Server (z.B. ns.10be.de, ‚Looper‘ Martin Schiftan, vor allem im deutschsprachigen Raum sehr beliebt), d.h. ein konkretes Rechner-System, das die Nightscout-Dienste im Netz zur Verfügung stellt.

Martin Schiftan, einem inzwischen in der Schweiz lebenden Typ1er, verdankt die ‚Looper-Community‘ neben den Datenbanken und neben dem System zur Visualisierung auch noch eine Reihe nützlicher Artikel, wie man sich sein eigenes Do-It-Yourself-System zusammestellt und welche Tests (z.B. Basalratentest, Faktoren-Analyse)  nötig sind, um einen DIY-Loop zu realisieren (siehe Quellenangaben unten).

Das ständig von der DIY-Community weiterentwickelte Nightscout-System ist auch heute noch das vielleicht beste, sicherlich aber das umfangreichste Analyse-Tool für die Diabetes-Typ1-Kontrolle, selbst wenn einige kommerzielle Angebote viele Ansätze von Nightscout heute übernehmen und selbst im Markt anbieten (Diabass, Diasend, Dexcom-Clarity, Dexcom-Share etc., um nur einige zu nennen).

Weiterführende Links/Quellenangaben:

Bester Startpunkt (deutschsprachige Nightscout-Facebookgruppe):

https://www.facebook.com/groups/nightscoutDE/

https://nightscout-user-guide.readthedocs.io/en/latest/ (mit deutschsprachiger Sektion)

https://ns.10be.de/de/index.html (Server-Angebot/kostenlos bzw. auf Spendenbasis!)

Autor

Autor Dr. Christoph LehnerDr. Christoph Lehner, Insulinpumpentrainer: ist promovierter Computerlinguist und selbständig als Insulinpumpentrainer tätig. Bereits seit 1971 selbst von Diabetes Typ1 betroffen, „loopt“ er seit 2017 und tauscht sich mit anderen „Loopern“ zu diesem Thema aus. Im Mediq Blog schreibt er über aktuelle Entwicklungen und Möglichkeiten am Diabetes Markt und über seine persönlichen Erfahrungen und Tests mit der neuesten Diabetes-Technologie.

Außerdem ist Christoph Lehner begeisterter Sport-Fotograf, Informationsmanager für mehrere Berliner Fußballvereine und seit über 20 Jahren selbständiger Einzelunternehmer für hochwertige Video-Projektion.

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