Insulinpumpe, CGM und Closed Loop - Ein langer Weg

Lage der BauchspeicheldrüseJeder Betroffene mit Typ-1 Diabetes weiß was es bedeutet, ein Leben lang mit einer chronischen Erkrankung zu leben und auf eine Behandlung mit Insulin angewiesen zu sein. Solange es keine Heilung für diese Krankheit gibt, besteht der nachvollziehbare Wunsch, die Funktion der menschlichen Bauchspeicheldrüse möglichst genau nachzuahmen. 

Bei stoffwechselgesunden Menschen reguliert der Körper automatisch, wie viel Insulin die Bauchspeicheldrüse ausschütten soll: Nämlich genau so viel, wie gerade benötigt wird. Dabei produziert die gesunde Bauchspeicheldrüse rund um die Uhr geringe Mengen Insulin (Basalbedarf). Dadurch wird gewährleistet, dass alle Zellen (vor allem Gehirn- und Nervenzellen) ständig mit Energie versorgt werden können. Zusätzlich schüttet die Bauchspeicheldrüse Insulin zu den Mahlzeiten aus. Das körpereigene Insulin wirkt sofort und ist schnell aufgebraucht.

Insulinpumpe und CGM - Wie alles begann

CGM System und Insulinpumpe

Sozusagen ein Pionier der ersten Stunde war Professor Dr. Ernst Pfeiffer. Bereits in den 60er Jahren entwickelte er ein System mit dem der Glukosegehalt kontinuierlich in der Vene gemessen werden konnte. 1994 stellte er seine sogenannte „Ulmer Zuckeruhr“ vor, ein System, das auf dem Prinzip der Mikrodialyse basierte und den Zuckerwert im Fettgewebe unter der Haut messen konnte. Zu groß, zu schwer (ca. 500 g) und zu umständlich schaffte es dieses System aber nie zur Marktreife.

Im selben Jahrzehnt kamen die ersten kommerziellen Insulinpumpen auf den Markt. Damit wurde die Insulintherapie immer mehr an die Arbeitsweise einer gesunden Bauchspeicheldrüse angeglichen. Wie bei einem stoffwechselgesunden Menschen ermöglicht die Pumpe, das Hormon Insulin kontinuierlich dem Körper zur Verfügung zu stellen. Die für die Verwertung der aufgenommenenMahlzeiten benötigten Insulineinheiten erhält der Körper zusätzlich per Knopfdruck.

Anfangs noch relativ groß und umständlich, waren sie noch nicht massentauglich. Doch mit fortschreitender Entwicklung wurden auch Insulinpumpen immer kleiner und komfortabler in ihrer Handhabung. Heute sind sie aus der Diabetestherapie nicht mehr wegzudenken. Erst die nach der Jahrtausendwende eingeführten Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung eröffneten die Möglichkeit, den Glukosespiegel ständig im Auge zu behalten. Nun war bzw. ist es nur noch ein kleiner Schritt die Vorteile der Insulinpumpentherapie mit den Vorteilen der kontinuierlichen Glukosemessung zu verbinden um ein „closed loop“ - System zu erreichen.

Was ist Closed Loop?

Beim sogenannten geschlossenen Kreislauf (Closed Loop) kann mit Hilfe eines Algorithmus der zukünftige Gewebeglukosewert vorausberechnet und die Insulinzufuhr laufend bedarfsgerecht angepasst werden. Damit soll der Glukosewert dauerhaft im Zielbereich bleiben und Unter- bzw. Überzuckerungen vermieden werden. Manuell muss die Insulinabgabe jedoch immer noch bei der Nahrungsaufnahme angepasst werden. Deshalb sprechen Fachleute korrekterweise von „Hybrid-Closed-Loop-Systemen“.

Closed-Loop: Was bieten die Hersteller?

MiniMed 670G Die Insulinpumpe MiniMed 640G von Medtronic kann bereits die Glukosemesswerte auf die Pumpe übertragen und bei der Gefahr der Unterzuckerung (Absinken der Blutzuckerwerte unter eine bestimmte Schwelle) die Insulinzufuhr selbständig stoppen.

Die Folgegeneration MiniMed 670G, bereits letztes Jahr in den USA zugelassen, kann erstmals einen geschlossenen Kreislauf herstellen. Diese Pumpe kann kontinuierlich in Abhängigkeit von den aktuellen Glukosewerten die nötige Zufuhr von Insulin errechnen und abgeben. Sie ist seit September 2019 auch in Deutschland erhältich. Viele weitere Firmen arbeiten an derartig intelligenten Pumpensystemen oder bieten sie bereits an.

DIY - Do it Yourself

Da diese Systeme in großen Teilen der Welt noch nicht zur Verfügung stehen, gibt es seit Jahren eine sich parallel entwickelnde Gemeinschaft, die auf eigene Faust an Entwicklungen arbeitet. Gewünscht ist ein Rechenprogramm, welches die Daten einer kontinuierlichen Gewebeglukosemessung für die Berechnung der benötigten Insulinmenge benutzt.
Das Ergebnis dieser Berechnung kann nun entweder vom Anwender selber in die Insulinpumpe eingegeben werden (Open Loop), oder wird automatisch an die Insulinpumpe gesendet, die die entsprechende Insulinabgabe selbstständig anpasst und durchführt (Closed Loop).

#WeAreNotWaiting - Bewegung: Gemeinsam wissen wir viel

Closed Loop selbst konzipiert

Auf dem Weg zum Cloosed-Loop verband das World Wide Web das Engagement Einzelner, das Wissen von Spezialisten und das große Interesse vieler Menschen mit Diabetes an fortschrittlichen Systemen, die das Leben mit Diabetes erleichtern.

Zu den Wegbereitern zählt z. B. „Night-Scout“, ein Anwendungsprogramm, dass die Möglichkeit zum Zugriff auf und die Arbeit mit kontinuierlichen Glukosedaten bietet. Es wurde von einem Vater entwickelt, der eigentlich „nur“ die CGM-Werte seines Kindes aus der Ferne überwachen wollte.

Oder Dana Lewis, die ursprünglich nur die Alarme ihres CGM-Systems lauter machen wollte, um nachts bei drohender Unterzuckerung aufzuwachen. Als nichts funktionierte, kam sie auf die Idee, die CGM-Werte via Laptop an ihr Smartphone zu schicken und dort entsprechende Alarme bei drohenden Über- oder Unterzuckerungen einzurichten. Mit Hilfe ihres Ehemanns Scott Leibrandt entwickelte sie einen Algorithmus zur Vorhersage ihrer Glukosewerte.

Begeistert durch das bereits Erreichte, teilte Dana ihre Entwicklungen mit anderen im Netz. Schnell entstand gemeinsam die Idee, mit Hilfe eines USB-Sticks und eines Computers die Pumpe so anzusteuern, dass mit steigenden oder fallenden Glukosewerten die Basalrate der Insulinpumpe angepasst wird. Damit war die weltweite #WeAreNotWaiting Bewegung geboren. Empört über die langsame und den technischen Möglichkeiten hinterherhinkende Entwicklung kommerzieller Produkte, wollen Mitglieder dieser Bewegung nicht länger warten, sondern legen selbst Hand an.

Inzwischen gibt es verschiedenste Variationen des sogenannten Open-Source-Algorithmus (Algorithmen bzw. die entsprechende Software, deren Quelltext off en liegt und von jedem kostenfrei genutzt werden kann). Mittlerweile sollen in Deutschland um die 500 Personen „loopen“. Oft allerdings mit einem Set aus nicht-zertifizierten alten Insulinpumpen in Kombination mit verfügbaren kontinuierlichen Glukose-Messsystemen.

Rechtliches Dilemma

rechtliches dilemma beim cloed loop diy

Diese Anwendungen erfolgen allerdings immer auf eigene Gefahr und sind juristisch nicht abgesichert. Ärzte sind verpflichtet, über den bestimmungswidrigen Gebrauch eines Medizinproduktes aufzuklären, sollten Patienten mit so einem System in der Praxis erscheinen bzw. Interesse daran bekunden. Aktive Unterstützungsmaßnahmen des Arztes können sogar zu straf- und haftungsrechtlichen Risiken führen. Bedeutet de facto, dass Anwender momentan aus dieser Richtung leider keine Hilfe und Unterstützung erwarten können.

Nicht vergessen darf man, dass bei all diesen hochmodernen Systemen intensive Kenntnisse in der Insulintherapie, des eigenen Körpers sowie der Anwendung von konventionellen Pumpen und CGM Systemen, wie sie in diabetologischen Schwerpunktpraxen vermittelt werden, die unbedingte Voraussetzung für eine erfolgreiche Daueranwendung sind. Nur ein gut eingespieltes Team aus dem behandelnden Diabetologen, speziell weitergebildeten Diabetesberater/innen und den betroff enen Menschen mit Typ-1 Diabetes (bzw. deren Angehörigen) kann eine weitere Verbesserung der Lebensqualität erreichen. 

Dr. med. Annette Hobelsberger
Internistin-Diabetologin DDG
Diabeteszentrum Landshut

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