Diabetes und Ramadan - Was sollten Menschen mit Diabetes, die fasten wollen, beachten?

Die soziokulturelle Entwicklung unseres Landes sollte Anlass sein, sich mit den jeweiligen Besonderheiten anderer religiöser und auch ethnischer Gruppen auseinanderzusetzen. In Deutschland leben inzwischen etwa 4 Millionen Menschen muslimischen Glaubens und stellen die am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe dar. Dieser Artikel beschäftigt sich mit einem kleinen Teil der islamischen Tradition, dem Essverhalten während des Ramadans. Bezogen auf unsere Berufsgruppe - der Schulung und Betreuung von Menschen mit Diabetes mellitus - stellt dies für uns eine interessante Herausforderung dar.

Die meisten „Nichtmuslime“ verbinden mit Ramadan den Fastenmonat der muslimischen Religion. Das Fasten ist aber nicht nur auf den Körper allein beschränkt, in dieser Zeit soll vor allem den religiösen Pflichten nachgegangen werden. Der Zeitraum ist der 9. Monat des islamischen Mondkalenders, in welchem laut islamischer Auffassung Mohamed der Koran offenbart wurde. Der Ramadan ist einer der Grundpfeiler dieser Religion, da er die Nähe zu Gott festigen soll. Er zählt zu den „fünf Säulen des Islam“. Der Mondkalender beinhaltet nur 354 Tage, im Vergleich zum westlichen (gregorianischen) Kalender mit 365 Tagen. Aus diesem Grund verschiebt sich der Beginn des Ramadans jedes Jahr um etwa 11 Tage. Der Koran stellt eine Rechtleitung für alle gläubigen Muslime dar. In ihm sind alle Ge- und Verbote des islamischen Rechts, detaillierte Lebenshilfe und eben auch die Weisungen des Fastenmonats verankert.

Begehen des Ramadan

Von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang, eine Zeitspanne die zwischen 8 und 16 Stunden betragen kann, ist es den Gläubigen unter anderem untersagt zu essen, zu trinken und zu rauchen. Allerdings muss nicht jeder Muslim dieser religiösen Pflicht nachkommen.

„Und wenn einer krank ist oder sich auf einer Reise befindet (und deshalb nicht fasten kann, ist ihm) eine (entsprechende) Anzahl anderer Tage (zur Nachholung des Versäumten auferlegt). Gott will es euch leicht machen, nicht schwer. Macht darum (durch nachträgliches Fasten) die Zahl (der vorgeschriebenen Fastentage) voll und preiset Gott dafür, dass er euch rechtgeleitet hat! Vielleicht werdet ihr dankbar sein.“
(Koran: Sure 2, am Ende des Verses 185)

Eine besondere Ausnahme stellen auch Kinder und Schwangere dar. Sie sind ebenfalls nicht zum Fasten verpflichtet. Besonders für Schwangere stellt das Fasten ein nicht unerhebliches Risiko für Frühgeburten und ein zu geringes Geburtsgewicht des Kindes dar. Nach Beendigung der Schwangerschaft kann die Fastenzeit nachgeholt werden.

Diabetes (chronisch Kranke) und Fasten

Fasten an sich ist für den Körper eine enorme Umstellung und Belastung. Wenn dem Körper plötzlich über viele Stunden weder Flüssigkeit noch Nahrung zur Verfügung gestellt wird, muss er auf körpereigene Reserven zurückgreifen, um seinen benötigten Energiebedarf zu decken. Ist man körperlich gesund, verkraftet man dies in der Regel recht problemlos.
Da die Erkrankung Diabetes mellitus, unabhängig davon welche Erscheinungsform vorliegt, zu den chronischen Erkrankungen gezählt wird, gilt es, sollte man doch fasten wollen, einige wichtige Dinge zu beachten. Grundsätzlich spielt die jeweilige angewandte Therapie eine große Rolle.

Für Diabetiker, die weder antidiabetische Tabletten einnehmen noch Insulin spritzen, gibt es vom Prinzip keine großen Einschränkungen. Bei ihnen besteht nicht das Risiko einer Unterzuckerung. Durch die vermehrte Aufnahme, vor allem von kohlenhydrat- und zuckerhaltigen Speisen nach Sonnenuntergang, ist in den nachfolgenden Stunden eher mit sehr hohen Blutzuckerwerten zu rechnen. Um den Blutzucker nicht gänzlich entgleisen zu lassen wäre es empfehlenswert, möglichst die Speisen zu reduzieren, die den Blutzucker sehr schnell ansteigen lassen, beispielsweise Datteln und andere Trockenfrüchte, Süßspeisen, Reisspeisen, Honig, Kuchen, Baklava, Mhalabia, Tofah...

Ersetzt werden sollten diese eher durch Mahlzeiten, die mit viel Gemüse, mit magerem Fleisch und frischem Obst, mageren ungesüßten Milchprodukten und Hülsenfrüchten zubereitet werden. Auch bei den Getränken sollte man auf den Zuckergehalt achten. Wasser, ungesüßter Tee und Kaffee, Ayran, Kefir und hochverdünnte Säfte beeinflussen den Blutzucker kaum bis gar nicht.

Ernährungsempfehlung während des Ramadan

Verteilen Sie die Aufnahme der täglichen Kalorien zwischen suhoor (30-40 %) und iftar (40-50 %) und je nach Bedarf 1-2 Snacks (je 10-20 %). Achten Sie auf ein ausgewogenes Verhältnis der Nährstoffe:
45-50 % Kohlenhydrate
20-30 % Protein
< 35 % Fett
Bevorzugen Sie Nahrungsmittel mit niedrigem oder mittlerem glykämischen Index, z. B. Vollkornprodukte, Bohnen, Reis, Obst, Gemüse und Salate. Achten Sie auf gesunde, ungesättigte Fettsäuren wie in Olivenöl, Rapsöl und reduzieren Sie den Verzehr von Lebensmitteln, die reich an gesättigten Fetten sind, wie Ghee, Samosas, Pakoras u. a. Vermeiden Sie zuckerhaltige Desserts. Trinken Sie ausreichend vor Sonnenaufgang und direkt nach Sonnenuntergang, um einer Dehydrierung vorzubeugen. Vermeiden Sie dabei koffeinhaltige und gesüßte Getränke. Starten Sie das Fastenbrechen mit 1-2 Datteln, um Ihren Blutzuckerspiegel zu erhöhen.

Was gibt es bei einer medikamentösen Therapie des Diabete zu beachten

Ramadan bedeutet nicht nur, auf Nahrung und Getränke zu verzichten, sondern, dass auch orale bzw. injizierbare Medikamente auf die Zeiten vor und nach Sonnenuntergang verschoben werden müssen. Während des Ramadan kommt es zu einem deutlichen Verschieben des Essrhythmus. Man wechselt dabei zwischen Zeiten gesteigerter Nahrungsaufnahme und Nahrungskarenz, die bis zu 16 Stunden betragen kann. In diesem Jahr findet der Ramadan vom 27. Mai bis 24. Juni statt. Der längste Tag des Jahres, der 21. Juni, fällt in diesen Zeitraum. Der Sonnenaufgang wird an diesem Tag bereits um 05:14 Uhr sein und der Sonnenuntergang erst um 21:29 Uhr. Eine Zeitspanne von 16 Stunden und 14 Minuten, in denen nichts zu sich genommen werden darf. Viele Fastende legen sich nach dem suhoor, dem Frühstück, noch einmal hin, da der Schlaf durch die zeitige Nahrungsaufnahme unterbrochen werden muss. Durch die anschließende Ruhe kann es zu erhöhten Blutzuckerwerten kommen, da der Bewegungsumsatz zu dieser Zeit entfällt.

Fasten im Ramadan mit Diabetes

Die größte Gefahr während des Fastens bleibt aber eine mögliche Unterzuckerung, wenn sulfonylharnstoff haltige Medikamente (Glibenclamid) eingenommen werden oder wenn Insulin gespritzt wird und diese Gabe nicht zu dem veränderten Tagesrhythmus passt. Empfehlenswert ist in diesen Fällen, sich bereits im Vorfeld kompetenten medizinischen Rat einzuholen. Erfahrungen haben gezeigt, dass beispielsweise die Basalinsulinmenge oft um bis zu 50 % reduziert werden kann. Die Höhe des Bolusinsulins ist abhängig von den aufgenommenen Kohlenhydratmengen der Mahlzeiten.

Die notwendigen Kontrollen des Blutzuckers sollten trotzdem regelmäßig, auch tagsüber erfolgen, auch wenn dies einen Tabubruch darstellt. Nur so kann eine drohende Entgleisung der Stoffwechsellage erkannt und abgewendet werden. Sollte es während des Fastens zu einer schweren Unterzuckerung kommen, ist ein sofortiger Fastenabbruch angeraten. Fallen die Blutzuckerwerte mehrfach unter 3,3 mmol/l (60 mg/dl) oder steigen über 16 mmol (290 mg/dl) sollte über die bestehende Medikation und das Weiterführen des Fastens nachgedacht werden.

Unsere Empfehlung wäre, in kürzeren „Testphasen“ das Fasten im Vorfeld auszuprobieren und Erfahrungen über den Blutzuckerverlauf während dieser Zeit zu sammeln. Mit diesen Erfahrungswerten ist es dann in Absprache mit dem behandelnden Arzt einfacher, die Diabetesmedikation umzustellen und an die veränderte Situation anzupassen.

Dringende Empfehlungen

Bei Symptomen einer schweren Hypo- oder Hyperglykämie, Dehydration oder beim Auftreten einer akuten Krankheit, wird dringend emfohlen das Fasten sofort abzubrechen.
Bei wiederholten Messwerten: < 60 mg/dl (< 3,3 mmol/l) oder > 290 mg/dl (16 mmol/l) soll die Medikation angepasst oder das Fasten vorerst abgebrochen werden.

Nach ärztlicher Rücksprache und Stabilisierung der Stoffwechsellage kann das Fasten ggf. wieder fortgesetzt werden, um die noch fehlenden Tage nachzuholen.

Fasten im Allgemeinen

Für unsere Vorfahren, die als Jäger und Sammler lebten, gab es kein kontinuierliches Nahrungsangebot, so wie wir es heute dank unserer Supermärkte gewohnt sind. Bevor der Mensch sesshaft wurde und lernte, Ackerbau und Viehzucht zu betreiben, gab es immer wieder Tage, an denen keine feste Nahrung zur Verfügung stand. Das klingt für heutige Ohren ziemlich dramatisch.

Doch unfreiwillige Fastentage schaden dem Organismus keineswegs. Sie machen ihn widerstandsfähiger und entlasten den Organismus. Auf Grund umfangreicher medizinischer Forschung in den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass das Fasten grundsätzlich vielfältige positive Auswirkungen auf den menschlichen Körper hat. Unter anderem eine verbesserte Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse zusammen mit einer eff ektiveren Wirkung des Insulins und eine günstige Veränderung der Fettstoffwechselwerte.

Unabhängig von der Intention zu fasten, ob religiös motiviert oder aus therapeutischen Gründen (Entgiftung), sollte es gut überlegt sein und mit der nötigen inneren Bereitschaft erfolgen.

Denn schon Hippokrates sagte: „Wer stark, gesund und jung bleiben will, sei mäßig, übe den Körper, atme reine Luft und heile sein Weh eher durch Fasten als durch Medikamente.“ (460 bis etwa 377 v. Chr.), griechischer Arzt, »Vater der Heilkunde«

Unsere Ernährungsempfehlung entspricht der Empfehlung nach Diabetes and Ramadan: Practical Guidelines, International Diabetes Federation (IDF), in collaboration with the Diabetesand Ramadan (DAR) International Alliance, April 2016

Autorinnen

Autorin Astrid HofmannClaudia Donath und Astrid Hofmann sind Diabetesberaterinnen DDG (Deutsche Diabetes Gesellschaft): Sie bringen umfangreiche Erfahrung rund um das Thema Diabetes mit und haben dabei große Freude dieses Wissen in Form von leicht verständlichen Texten und aktuellen Beiträgen für den Leser aufzubereiten. Darüber hinaus beraten und schulen sie mit viel Engagement Menschen aller Typen des Diabetes, dazu zählen insbesondere auch Kinder und Schwangere.

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