Erfahrungsbericht einer Mutter: Diabetes - seit 15 Jahren unser ständiger Begleiter

Eine Mutter erzählt über ihre Erfahrung mit ihrem von Diabetes betroffenen Kind

Junge beim BlutzuckermessenJunge beim Blutzuckermessen

Dezember 2019: Vor 15 Jahren wurde mit einem Schlag unser gesamter Alltag auf den Kopf gestellt. Mit der Diagnose Diabetes Typ-1 bei unseren damals erst 4-jährigen Sohn war auf einmal alles anders.

An einem Wochenende im Oktober haben mein Mann und ich bemerkt, dass unser Sohn wahnsinnig viel getrunken hat. Das heißt, eine Flasche Wasser in einem Zug. Natürlich hat er auch dementsprechend oft die Toilette aufgesucht. Am Montag darauf hatten wir einen Routinetermin beim Kinderarzt, wo die Ärztin ihn auch auf Zucker getestet hat. Das Ergebnis sollten wir am nächsten Tag erfahren.

Schreck & Schock

Doch noch während wir auf dem Heimweg waren, hatte unsere Kinderärztin schon das Ergebnis und leitete sofort die Bestellung eines Rettungswagens zu uns nach Hause ein. Sie informierte die Uniklinik Dresden, dass ein Notfall vorliegt und besprach unseren Anrufbeantworter mit den Fakten. Für uns hieß es: Tasche packen und los. Für den Kleinen war es natürlich sehr abenteuerlich mit einem Krankenwagen, noch dazu teilweise mit Blaulicht und Tatütata in ein Krankenhaus zu fahren.

Krankenwagen im EinsatzKrankenwagen im Einsatz

Gefühlschaos

Symbolbild: Achterbahn der GefühleSymbolbild: Achterbahn der Gefühle

Mir war bange. Ich fühlte mich gleichzeitig ohnmächtig, hilflos, ängstlich, wütend und traurig. Dieses Durcheinander hielt auch noch einige Zeit an. In der Uniklinik Dresden angekommen, drehte sich auf der Station KIK 5 sofort alles um meinen Sohn. Untersuchungen und Tests erfolgten. Ihm wurde ein Tropf angehangen. Er war versorgt und in seinem Zimmer. Auch ich habe dort notdürftig ein Nachtlager gefunden. In kurzen Abständen piepste es leise. Erst da kam ich langsam zu mir. Was war jetzt eigentlich passiert? Alles mögliche ging mir durch den Kopf: Hab ich was falsch gemacht? Ich hatte noch nie von Typ-1 gehört. Was soll nun werden? Sollte mein Kind jetzt vielleicht sterben?

Informationsflut

In den nächsten fast 14 Tagen habe ich erfahren, was es mit dieser Krankheit auf sich hat: Bei dieser Stoffwechselkrankheit produziert die Bauchspeicheldrüse nicht mehr genügend Insulin. Dabei ist das Hormon lebensnotwendig, denn es bringt den Zucker aus dem Blut in die Zellen. Fehlt es, sammelt sich der Zucker im Blut. Schuld am Versagen der Bauchspeicheldrüse ist das Immunsystem. Es stuft die Insulinproduzierenden Zellen plötzlich als Fremdlinge ein und zerstört diese.

"Ich sollte mein Kind in den Finger pieksen uns sogar noch sprizten? Niemals!"

Wenn der Körper  nun kein eigenes Insulin mehr produziert, muss es gespritzt werden ... Au weia, ich sollte mein Kind in den Finger piksen und sogar noch spritzen? Niemals! Als ich mir dann mit einer leeren Insulinspritze selbst in den Oberschenkel gestochen hab und gemerkt hab, dass es nicht so weh tut, wie man annimmt, konnte ich es auch bei dem Kleinen tun. Die nächsten Tage waren voll mit Informationen. Ich glaube, man nimmt gar nicht alles auf einmal auf. Essen, Trinken, Ketone, Insulin, KE´s, Spritz-Ess-Abstand, Bolus, Basis, Glukagon, Hypo, Hb1c, Hyper……Alles drehte sich.

Zurück im Alltag

Kind in der KitaKind in der Kita

Dann kam der Tag, als wir für eine Nacht nach Hause fahren sollten. Mir war schlecht. Wir wurden mit allem versorgt, was man braucht und ab ging‘s. Man konnte an nichts anderes denken. Wann müssen wir messen, essen oder spritzen? Vor lauter Aufregung hab ich mich mit dem Insulinpen gestochen. Oh, was nun? Da war Insulin drin, jetzt hab ich zu viel. Hm, ruf ich in der Uniklinik an und frage? Dies hab ich dann auch gemacht. Da meine Bauchspeicheldrüse ja funktioniert, war das natürlich kein Problem und es kann ja nur ein Tröpfchen gewesen sein.

Ich war ehrlich gesagt froh, als wir am nächsten Tag wieder in die Klinik fuhren und ich sicher sein konnte, dass meinem Kind nichts passiert. Und wenn ich uns eine Wohnung in der Nähe der Klinik suche…? Ja – solche blöde Ideen hatte ich auch. Die Schwestern hätten sich bedankt. 

Mit einer Sozialassistentin haben wir über Integration in der KITA und über einen Behindertenausweis geredet - ja oder nein. Man hat echt viel zu beachten und zu organisieren. Mein Mann musste sich auch kurz schulen lassen, bevor wir entlassen werden konnten

Wir schaffen das

Es lief dann zu Hause besser als gedacht. Ich bin zusätzlich viele Jahre nachts aufgestanden um eine Zwischenmessung gegen 1:00 Uhr durchzuführen. Im Kindergarten sollte er in eine Gruppe mit Heilerziehungspflegerinnen wechseln. Aber er war glücklich in seiner Gruppe. Also habe ich seine Kindergärtnerin gefragt, ob sie sich zutraut, meinen Sohn ohne zusätzliche Ausbildung weiterhin zu betreuen. Natürlich sagte sie zu. Ich habe ihr alles, was ich wusste, vermittelt. Sie hat das toll gemacht. 

"...es lief zu Hause besser als gedacht...wir haben das gut gemeistert..."

Ein Pflegedienst betreute ihn zur Mittagszeit, hat den Blutzucker gemessen und nach Plan und KE´s gespritzt. Er bekam vom gleichen Essensanbieter wie alle anderen Kinder eine extra zugemessene Essensportion geliefert, so dass die Erzieher damit keine zusätzliche Arbeit hatten. Ich war zu dieser Zeit in der gleichen Stadt zur Umschulung. Wenn also etwas ungewöhnlich war, bin ich kurz vorbeigefahren, um alles ins Lot zu bringen und weiter ging‘s. Ich bin der Meinung, dass wir das damals gut gemeistert haben. Auch in der Grundschulzeit wurden wir hervorragend durch seine Klassenlehrerin und die Schulbegleiterin, die er für Sport hatte, unterstützt.

Essen in der KitagEssen in der Kitag

Diabetes vs. Pupertät

SchulkinderSchulkinder

Ab der Mittelschule klappte es manchmal nicht mehr so gut. Er war nun schon alt genug, um sich selbst mehr einzubringen. Er war zweimal zur Kur, lernte auch alles allein zu managen. Danach kam er eine ganze Weile super zurecht.

Heute ist er ein Jugendlicher, mit Rebellion, Gefühlschaos und allem, was sonst noch zur Pubertät gehört. Natürlich geht ihm der Diabetes mächtig auf den Keks. Manchmal wird nur sporadisch gemessen und gespritzt. Doch mit Gesprächen, kleinen Erinnerungen, Unterstützung und einer große Portion Verständnis werden wir auch diese Phase gemeinsam meistern.

Noch mache ich die Termine beim Diabetologen und besorge die verordneten Hilfsmittel und alles, was er braucht. Bald wird er „flügge“, dann muss er lernen alles selber unter einen Hut zu bekommen und Verantwortung zu übernehmen.

Neue Chance Gelerntes weiterzugeben

Die Zeit als Mutter eines Diabetikers hat mich viel gelehrt. So viel, dass ich mir zutraue, auch mit anderen Diabetikern zu arbeiten. Seit letztem Jahr arbeite ich bei Mediq Direkt Diabetes als Kundenberaterin im Diabetes-Fachgeschäft. Es macht viel Spaß und man lernt immer wieder viel Neues dazu. Wir werden geschult, es erfolgt ein Wissensaustausch mit Fachpersonal. Viele Situationen, von denen meine Kunden berichten, kommen mir bekannt vor. Besonders Ängste und Befürchtungen kurz nach der Diagnose kann ich gut verstehen, und so aus eigener Erfahrung beraten.

Ich schreibe mir das heute von der Seele, weil mich vorletzte Woche meine Schwester bat, bei meinem Neffen, Ben, den Blutzucker zu messen, weil er so arg durstig ist. Leider musste ich ihnen sagen, dass sie sofort in die Uniklinik Dresden fahren müssen. Das Messgerät sagte HI und der gemessene Zucker im Urin „++++“.

Ich weiß, wie es dem Jungen und meiner Schwester geht. Natürlich kann ich mit vielen Tipps aus meiner eigenen Erfahrung unterstützen und mit Rat und Tat zur Seite stehen - oder einfach nur zuhören. Doch den Umgang mit der Krankheit müssen Betroffene und Angehörige selber erlernen. Dies ist für meinen Neffen und seine Familie doppelt schwer. Er ist Autist.

Autorin

Ina Paul, Kundenberaterin im Diabetes Fachgeschäft: Ina Paul ist Mutter eines Kindes mit Diabetes Typ 1 und steht seit 2018 den Kundinnen und Kunden im Diabetes Fachgeschäft von Mediq Direkt als Beraterin mit Rat und Tat zur Seite.


Diabetestherapie bei Kindern

Kinder mit Lob unterstützenNoch vor einigen Jahren mussten sich Kinder mit Diabetes an strenge Regeln halten und Flexibilität im Alltag war fast unmöglich. Dank moderner Therapieformen können diese Kinder und Jugendlichen heute ein fast normales Leben führen.

Kinder berichten über ihren Diabetes

Blogbeiträge unterwegs lesenMax und Kristin erzählen über ihre Erinnerung an die Diagnose und aus ihrem Alltag mit ihrer Diabetes-Erkankung.

Diabetiker-Bedarf für Kinder

Entdecken Sie Ratgeber, Insulin-Pens, bunte Pumpentaschen und weiteres Zubehör für Kinder mit Diabetes  im Online Shop von Mediq Direkt.

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