Diabetes und Alkohol - Rausch und Realität

In Gesellschaft wird getrunken. Seit Jahrhunderten gibt es kaum einen Anlass, an dem wir Familie und Freunde treffen, bei dem keine alkoholischen Getränke angeboten werden - egal ob bei Feiern und Festen, lockeren gemeinsamen Mahlzeiten oder zum Ausklang eines anstrengenden Tages. Alkohol ist ein gesellschaftlich akzeptiertes Laster und in geringen Mengen genossen, für gesunde Erwachsene nicht schädlich. Dies gilt auch für Menschen mit Diabetes solange sie sich an einige Regeln halten.

Der erste Schritt ist, Alkohol nicht als grundsätzlich schädlich zu brandmarken, sondern auch bei den Beratungen und Schulungen darüber offen zu sprechen und über die möglichen Folgen und Gefahren, die im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum stehen, aufzuklären. Dies trifft vor allem auf Patienten mit einer Insulintherapie zu, aber auch auf Patienten, die mit einer bestimmten Form der oralen Antidiabetika, den Sulfonylharnstoffen, behandelt werden.

„Trink ihn aus, den Trunk der Labe und vergiss den großen Schmerz ...“

ImageDiese Zeilen aus Schillers Siegesfest von 1804 veranschaulichen, woran wir in erster Linie denken, wenn über die Verwendung von Alkohol gesprochen wird. Doch das ist bei weitem nicht alles! Alkohol findet beispielsweise Einsatz in der chemischen Industrie als Reinigungs- oder Lösungsmittel, in der Kosmetikproduktion, als Grundlage von Desinfektionsmitteln oder auch als Brennstoff. Dinge, die für uns alltäglich sind und auf die nicht verzichtet werden kann. Trotzdem ist die Verwendung des Alkohols in Getränken sicherlich das für uns interessanteste oder auch reizvollste Einsatzgebiet. Der Genuss alkoholischer Getränke gilt als gesellschaftsfähig, solange es sich nicht um Alkoholmissbrauch handelt.

Gift im Blut

"Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift, allein die Dosis machts, dass ein Ding kein Gift sei."
ImageSchon diese Zeilen des Schweizer Arztes Paracelsus (1493-1541) zeigen, wie wichtig es ist, bei allen Dingen eine, noch als „gesundes Maß“ bezeichnete Menge einzuhalten.

Obwohl als Trinkalkohol bezeichnet, ist der Alkohol mit dem chemischen Namen Ethanol nur bis zu einem bestimmten Maße genießbar. Eigentlich ist dieser sogar ein verheerendes Zellgift, hätte unser Körper nicht einen raffinierten Abbauprozess, der dafür sorgt, dass zum Schluss nur harmlose Stoffe übrigbleiben, die einfach wieder ausgeschieden werden.

Nach dem Konsum wird der Alkohol über die Blutbahn relativ schnell im Körper verteilt, spätestens 90 Minuten nach dem Genuss ist die Verteilung abgeschlossen. So gelangt er auch ins Gehirn und lähmt dort unter anderem die Nervenzellen. Wichtige Funktionen wie Wahrnehmung, Reaktion und Gleichgewichtssinn werden beeinträchtigt. Unbedingt sollte daher nach Alkoholkonsum auf das Führen eines Kraftfahrzeuges oder einer Maschine verzichtet werden.

So schnell sich der Alkohol im Körper verteilt und man erste, meist angenehme, Auswirkungen spürt, der Abbau erfolgt nur sehr langsam: Die Abbaurate, das heißt wie lange es dauert bis der Blutalkoholspiegel wieder nahe Null ist, liegt zwischen 0,1 und 0,2 Promille pro Stunde, ist aber von Person zu Person sehr verschieden. Der Prozess lässt sich auch nicht beschleunigen, weder durch Kaffee, frische Luft oder eine kalte Dusche.

Um nach 0,5 Promille (dies erreicht man oft schon, wenn man 0,5 Liter Bier trinkt) wieder nüchtern zu werden, braucht es entsprechend zwischen drei und vier Stunden. Das ist sehr langsam und stellt, vor allem bei Patienten die eine Insulintherapie durchführen oder Sulfonylharnstoffe einnehmen, eine ernstzunehmende Gefahr dar.

Der Abbau selbst erfolgt in den Schleimhäuten des Magens und dem Dünndarm, zu 95 bis 98 % aber in der Leber. Dies geschieht stufenweise durch verschiedene Enzymsysteme. Die Alkohol-Dehydrogenase (ADH) ist hier das entscheidende Enzymsystem. Dabei entsteht auch das giftige Abbauprodukt Acetaldehyd, dass für die bekannten „Katersymptome“ wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel sowie einen ausgetrockneten Mund verantwortlich ist. Das Acetaldehyd wird anschließend in Azetat (Essigsäure) umgewandelt, an die Körperflüssigkeiten abgegeben und schließlich als Kohlendioxid und Wasser über den Atem, Schweiß und Urin ausgeschieden.

Unterzuckerungsgefahr bei Alkoholgenuss

ImageBehandelt man seinen Diabetes beispielsweise nur mit Metformin, besteht keine erhöhte Gefahr einer Unterzuckerung. Solange es im Körper wirksam ist, lässt Insulin, egal ob aus eigenen Reserven oder gespritzt, immer den Blutzuckerspiegel sinken. Sulfonylharnstoffe dagegen wirken direkt auf die Bauchspeicheldrüse und lassen dort Insulin ans Blut abgeben. Sulfonylharnstoffe gehören zu den blutzuckersenkenden Medikamenten, die geschluckt werden und nicht – wie beispielsweise Insulin – gespritzt werden müssen. Im Handel sind verschiedene Sulfonylharnstoff-Präparate erhältlich wie zum Beispiel Glimepirid (Amaryl) oder Glibenclamid (Maninil, Euglucon, Gliben…).

Wie Sie sicherlich noch aus Ihren Diabetesberatungsstunden wissen, gibt es in unserem Körper ein großes „Zuckerspeicherorgan“ - die Leber. Über 100 g Zucker sind dort als Speicherzucker gelagert. Im Falle eines sinkenden Blutzuckers wird, durch die Abgabe dieses Zuckers an das Blut der Blutzuckerspiegel rasch wieder angehoben. Ein Prozess, der von uns völlig unbemerkt abläuft. Durch den Konsum von Alkohol, auch schon von geringen Mengen, ist die Leber nicht in der Lage, Zucker abzugeben, da der Abbau des Zellgifts Alkohols für die Leber oberste Priorität hat.

Wirkendes Insulin lässt unabhängig davon den Blutzucker weiter fallen, was schwere und langanhaltende Unterzuckerungen zur Folge haben kann.

Zusätzlich bemerken viele Patienten durch die anregende Wirkung des Alkohols eine beginnende Hypoglykämie kaum und reagieren dementsprechend nicht. Spielt in diesem Szenario noch körperliche Bewegung wie Tanzen,die heimwärtsführende Fahrradtour oder gar Sport eine Rolle, kann eine „feucht-fröhliche“ Nacht ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen.

Fakten und Mythen

ImageWas oft übersehen wird ist, dass Alkohol auch eine Menge Energie enthält, nämlich 7 kcal pro Gramm reinem Alkohol. Das klingt erst einmal nicht viel. Bedeutet aber, dass eine Flasche Bier bis zu 250 kcal und eine Flasche Wein allein durch Alkohol ca. 620 kcal enthält. Da ist möglicher Zucker durch halbtrockene oder liebliche Weine noch nicht mit eingerechnet. Im Vergleich hat eine 100 g Schokoladentafel ca. 550 kcal.

Ein Schnaps nach dem Essen? Eine Schnapsidee! Es ist ein Mythos, dass ein Gläschen Alkohol nach dem Essen den Verdauungsprozess fördert. Im Gegenteil, Alkohol verzögert sogar die Fettverdauung. Das beste Mittel um dem trägen Magen auf die Sprünge zu helfen ist und bleibt die Bewegung, möglichst an frischer Luft. Durch das Laufen wird die Magendurchblutung angeregt und das Völlegefühl verschwindet.

Wein oder Bier geben manchen Gerichten erst den richtigen Geschmack. Doch Vorsicht! Alkohol verdunstet nicht zu 100 % beim Kochen. In Weinsoßen bleiben noch 85 % des Alkohols wirksam, nach einer Stunde Kochzeit noch 35 %. Das spielt für Kinder oder auch alkoholkranke Menschen, die mit am Tisch sitzen, eine große Rolle.

Worauf muss man besonders achten?

Diabetes schließt den Genuss von Alkohol nicht gänzlich aus, es gilt allerdings einige grundsätzliche Hinweise zu beachten, um eine Achterbahn der Blutzuckerwerte zu vermeiden:

  1. Trinken Sie Alkohol nie auf nüchternen Magen und nehmen Sie zu Ihrem Gläschen Alkohol immer eine kohlenhydrathaltige Kleinigkeit zu sich, wie zum Beispiel ein Häppchen vom Buffet oder ein paar Kartoffelchips.
  2. Beachten Sie die hohe Unterzuckerungsgefahr, die Tanzen in Kombination mit Alkoholkonsum mit sich bringt. Diese nicht unübliche Kombination lässt die Blutzuckerwerte in den Keller rauschen. Halten Sie etwas Traubenzucker für solche Fälle griffbereit.
  3. Der alkoholbedingte Blutzuckerabfall kann bis zu 12 Stunden nach dem letzten Gläschen auftreten, so dass selbst am nächsten Tag noch heftige Hypos drohen. Die größte Hypoglykämiegefahr besteht in der Nacht, daher sollte der Blutzucker vor dem Einschlafen unbedingt nochmals kontrolliert werden. Damit keine unbemerkte Unterzuckerung im Schlaf auftritt, gilt bei Alkoholgenuss als Zielwert der solide, etwas höhere Blutzuckerwert von ca. 10 mmol/l bzw. 180 mg/dl.
  4. Da der Alkohol nur langsam abgebaut wird, sollten möglichst Zwischenmessungen eingeplant und der Blutzucker nur behutsam korrigiert werden.

Egal für welches alkoholische Getränk Sie sich am Ende entscheiden, wichtig ist das richtige Maß zu finden. Alkohol ist und bleibt ein Genuss- und kein Lebensmittel.

Autorinnen

Autorin Astrid HofmannClaudia Donath und Astrid Hofmann sind Diabetesberaterinnen DDG (Deutsche Diabetes Gesellschaft): Sie bringen umfangreiche Erfahrung rund um das Thema Diabetes mit und haben dabei große Freude dieses Wissen in Form von leicht verständlichen Texten und aktuellen Beiträgen für den Leser aufzubereiten. Darüber hinaus beraten und schulen sie mit viel Engagement Menschen aller Typen des Diabetes, dazu zählen insbesondere auch Kinder und Schwangere.

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